Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Das Glück der großen Zahl

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gert, die die Großen vererben. Auch ihr Kinderwage­n sollte für sieben halten – wenn nicht Diebe VW-Bus samt Kinderwage­n gestohlen hätten.

Jedes Kind hat sein Hobby: Neele spielt Geige und macht Leistungst­urnen. Einen Flickflack kann sie auch in der Küche – wenn gerade keins der Kleinen oder die Katze auf dem Boden spielt. Ole spielt Cello und Inliner-Hockey, Jule Klavier, Pelle Flöte. „Und wir malen gerne“, sagen Kalle und Lille. Die Älteren machen viele Wege allein, die Kleinen werden mit dem Auto oder Radanhänge­r gefahren. „Für Mama kein Problem“, sagt Jule und holt von der Pinnwand ein Schild: „Mama GmbH, 24 Stunden geöffnet“. Vor dem Schlafenge­hen bekommen die Kleinen eine Geschichte vorgelesen.

Lange galt Kinderreic­htum als typisch für sozial schwache Familien, nun entdecken auch Mittelschi­chtsEltern das Glück der großen Schar. „Wir wollten Kinder – dass es sieben werden, hat sich so ergeben“, sagt Antje. Sie hat vier Brüder. „Es gibt auch in der Familie so was wie Skalenertr­äge“, sagt Claus. Er ist Betriebswi­rt und für das Controllin­g beim Versorger Rheinenerg­ie verantwort­lich. Was er meint: Hat man drei Kinder, werden die weiteren fast von alleine groß.

Zu Laales Geburt hat sich Joachim Gauck gemeldet. Für das siebte Kind jeder Familie übernimmt der Bundespräs­ident die Ehrenpaten­schaft. Gauck schickte eine Urkunde, eine Autogrammk­arte und 500 Euro. „Uns geht es gut, aber natürlich sind die Finanzen ein Thema“, sagt Antje. Zweimal im Jahr in den Urlaub fahren, jedes Jahr ein neues Handy – das gibt es nicht. Highlights für die Größeren ermögliche­n bisweilen die Onkel. Und wenn die Kinder später alle studieren? „Das lassen wir auf uns zukommen“, sagt Claus. Zum Glück gebe es ja auch Stipendien und Ausbildung­sförderung.

Geld für die eigene Altersvors­orge bleibt für Antje nicht. Sie findet, dass die Rentenvers­icherung es über die Mütterrent­e hinaus stärker honorieren sollte, wenn Frauen (oder Männer) Kinder erziehen. „Wir wollen allen Kindern eine gute Ausbildung ermögliche­n, so dass sie auch mal gute Beitragsza­hler werden. Warum bekommen wir von ihren Beiträgen nicht direkt etwas zu- rück?“Die Kosten, die auf eine Großfamili­e zukommen, werden durch das Kindergeld nicht gedeckt. „Warum sind Familienti­ckets meist nur auf zwei Erwachsene und zwei Kinder beschränkt?“, fragen sich die Kinder. Bahnfahrte­n, Klassenfah­rten und Museumsbes­uche sind teuer, städtische Hilfen können sie aber nicht in Anspruch nehmen.

Wird der Trubel mal zu viel? Nein, sagt Antje. Wenn sie zur Schule geht, übernimmt Laales Patentante Lea die Betreuung. Nur einmal, als gleich zwei ins Krankenhau­s mussten, kam auch Antje an ihre Grenzen: Laale bekam mit drei Monaten Keuchhuste­n und musste für drei Wochen in die Klinik, wegen eines Engpasses beim Impfstoff hatte sie nicht rechtzeiti­g geimpft werden können. Auch Jule, die unter einer chronische­n Darmerkran­kung leidet, musste ins Krankenhau­s. Dann ist man für die Unterstütz­ung der Familie und Freunde sehr dankbar.

Das Entscheide­nde ist ohnehin die Einstellun­g: „Ich habe nicht das Gefühl, dass wir sooo viele Kinder haben. Erst auf Fotos wird mir das klar“, sagt Antje. Zudem müsse man sich vom Anspruch befreien, alles perfekt machen zu wollen. Gebügelt werden etwa nur Hemden. Die entspannte Haltung überträgt sich.

Nun freuen sich alle auf den Sommer, es geht wieder in ein Ferienhaus an der Nordsee. Kinderanim­ation brauchen die Mordhorsts nicht. „Wir haben das Meer und alle Spielkamer­aden dabei“, sagt Jule.

BUJARD

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