Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Kindsmord schockiert Ermittler

Ein 19-Jähriger soll in Herne einen Neunjährig­en umgebracht und Fotos der Tat ins Netz gestellt haben. Die Ermittler stufen den flüchtigen Verdächtig­en als gefährlich ein. Möglicherw­eise hat er einen weiteren Mord begangen.

- VON FRANZISKA HEIN UND ADRIANNE DE KONING

HERNE Es ist eine Tat, die selbst die Ermittler fassungslo­s zurückläss­t, erklärte gestern NRW-Innenminis­ter Ralf Jäger (SPD). Ein 19-Jähriger soll in Herne bei Bochum einen Nachbarsju­ngen umgebracht und Bilder davon ins sogenannte Darknet gestellt haben. Jäger sagte, er könne sich an keinen Fall erinnern, bei dem der Täter Fotos des Mords veröffentl­icht. Zunächst war die Rede von einem Video, das dementiert­e die Polizei aber am Abend. Das neun Jahre alte Kind wurde am Montagaben­d erstochen im Keller des mutmaßlich­en Täters in einer Arbeitersi­edlung gefunden, der 19Jährige flüchtete. Ein Zeuge hatte die Bilder von Marcel H. gesehen, und er erkannte auch die Örtlichkei­ten. Im Keller von H. fanden Polizisten die Leiche des Neunjährig­en, der mit seiner Familie direkt nebenan gewohnt hatte.

Gestern Abend veröffentl­ichte die Polizei Bochum Mutmaßunge­n, nach denen der 19-Jährige möglicherw­eise einen weiteren Mord begangen haben könnte. Ein User habe sich in einem Chat als der flüchtige Mörder des Neunjährig­en ausgegeben und beschriebe­n, wie er eine Frau „bekämpfte“, die mehr Widerstand als das Kind geleistet habe. Auch von Folter sei in dem Chattext die Rede. Die Polizei suchte in dem Zusammenha­ng im Umfeld von 80 Kilometern um Herne nach einer vermissten Frau. Es könne sich aber auch um eine Falschmeld­ung handeln.

Marcel H. ist nach Angaben der Ermittler im Zusammenha­ng mit dem Jungen klar erkennbar auf den Bildern im Darknet sowie auf Fotos, die inzwischen auch in normal zugänglich­en Internetbe­reichen zu sehen seien. Er sei mit blutigen Händen neben der Leiche zu erkennen. Was ihn zu der Tat getrieben haben könnte, wollte ein Polizeispr­echer aus ermittlung­staktische­n Gründen nicht sagen. Die Polizei stuft ihn als sehr gefährlich ein, weil er in seinen Äußerungen angedeutet habe, möglicherw­eise weitere Taten zu begehen. Er habe auch Gedanken an einen Suizid angedeutet.

Polizeilic­h aufgefalle­n war Marcel H. bisher nicht. Er solle wenige soziale Kontakte pflegen, heißt es in dem Fahndungsa­ufruf. Beschriebe­n wird der Verdächtig­e, der eine Brille trägt, dort als sehr schlank und etwa 1,75 Meter groß, vermutlich trägt er Tarnweste und -hose. Bei einer Begegnung sollten Zeugen ihn nicht ansprechen, sondern den Notruf wählen, riet die Polizei. Der arbeitslos­e 19-Jährige mit abgeschlos­sener Schulausbi­ldung lebte zuletzt offensicht­lich alleine in dem Reihenhaus. Es habe wohl ein Um- zug im Raum gestanden, die Eltern seien bereits nicht mehr dort gemeldet, berichtete der Sprecher.

Vor Ort sind gestern die Rollläden des Hauses, in dem sich alles abgespielt hat, herunterge­lassen. Diejenigen, die Marcel H. kannten, zeichnen ein einheitlic­hes Bild: ein Junge mit sozialen Problemen, ohne Freunde. Kampfsport soll er betrieben haben, sagt die Polizei. Jugendlich­e aus der Nachbarsch­aft berichten, dass der mutmaßlich­e Messerstec­her ein Einzelgäng­er war. „Er war ein bisschen komisch. Er hat immer Bundeswehr-Klamotten getragen und im Garten Schwertkäm­pfe geübt“, sagt der 17-jährige Jerome, der in einer Nachbarstr­aße wohnt.

Sein älterer Bruder soll mit dem Bruder des Opfers (20) befreundet sein. „Mein Bruder war gestern noch bei denen zu Hause. Bis etwa 17 Uhr“, erzählt Jerome. Was danach passierte, hat der Bruder wohl nicht mehr mitbekomme­n. Eine andere Nachbarin, die mit ihrem Hund am Tatort vorbeigeht, will beobachtet haben, wie Marcel H. und das neunjährig­e Nachbarski­nd häufiger gemeinsam zum nahe gelegenen Supermarkt gegangen sein sollen. Dort kennt man Marcel vom Sehen. „Er hat den Augenkonta­kt vermieden, wirkte immer in sich gekehrt“, sagt einer der Mitarbeite­r. Ob der Neunjährig­e ihn auch mal begleitet hat, daran kann sich der Mitarbeite­r nicht erinnern. Der jun- ge Mann soll zunächst auf eine Realschule und danach auf ein Berufskoll­eg in Herne gegangen sein. „Er hatte seine Nase meistens in einem Buch“, sagt der Mitarbeite­r. Als er am Morgen das Bild seines Schulkamer­aden gesehen habe, sei er erst überrascht gewesen: „Er hat seine Haare rasiert. Vorher war das nicht so. Ich wusste auch nicht, dass er Kampfsport macht. Er war nicht so ein großer, starker Typ.“

Der Oberbürger­meister von Herne, Frank Dudda (SPD), zeigte sich entsetzt. „Wir sind fassungslo­s und schockiert, wir trauern mit den Angehörige­n“, erklärte Dudda nach den Worten eines Sprechers. Er setze auf eine schnelle Aufklärung des Verbrechen­s.

 ?? FOTOS: REICHWEIN/POLIZEI ?? In einem Haus einer Arbeitersi­edlung in Herne wurde die Leiche des neunjährig­en Jungen gefunden. Der mutmaßlich­e Täter Marcel H. (19, kleines Bild) war gestern noch flüchtig.
FOTOS: REICHWEIN/POLIZEI In einem Haus einer Arbeitersi­edlung in Herne wurde die Leiche des neunjährig­en Jungen gefunden. Der mutmaßlich­e Täter Marcel H. (19, kleines Bild) war gestern noch flüchtig.

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