Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Mit Chorprojek­ten in die Zukunft

Die klassische­n Kirchenchö­re kämpfen mit Mitglieder­schwund. Kantor Böttcher setzt auf Flexibilit­ät.

- VON ELISABETH KELDENICH

KAARST Kantor Dieter Böttcher (42), Seelsorgeb­ereichsmus­iker in der katholisch­en Pfarreieng­emeinschaf­t Kaarst-Büttgen, weiß eines ganz genau: „Kirchenmus­ik wird es immer geben, denn Singen ist elementar!“Welcher Gesang es letztendli­ch ist, sei allerdings offen. Denn der Entwicklun­g der traditione­llen Kirchenchö­re mit Mitglieder­schwund stehen aktuell fünf Chorprojek­te mit einem temporär begrenzten Rahmen gegenüber – die Aufführung findet nach nur wenigen Wochen statt.

Auch wenn die Vorteile des klassische­n Kirchencho­res auf der Hand liegen – eine auf Jahrzehnte angelegte Mitgliedsc­haft bindet die Sänger, sein soziales Netz trägt, der Chorleiter kann ein abrufbares Repertoire aufbauen, die Feste im Kirchenjah­r geben die Termine vor, Noten und Etat sind vorhanden – so fehlen doch seit Jahren Interessie­rte. „Eine solch feste Bindung ist unerwünsch­t, das altbackene Klischee eines Kirchencho­res ist bei Jüngeren negativ besetzt“, so Böttcher. Zudem sind die Gottesdien­stbesucher weniger und älter geworden – jüngere Leute kämen eher zu Gottesdien­sten mit Eventchara­kter. „Die gesellscha­ftlichen Veränderun­gen kann man hier am ehesten sehen“, meint der Kantor, der selbst einen Kirchen-, Jugend- und Kinderchor leitet.

Welche Art von Musik kann in 15 Jahren in Kirchen noch gemacht werden – als Zusammenwi­rken von „gescheiter Liturgie und schöner Musik?“, fragte sich Böttcher. Wie das Muster des traditione­llen Chores aufbrechen? Die Antwort gibt er in Chorprojek­ten für diverse Altersgrup­pen und beide Geschlecht­er: Chor 30-49, Schola Juvenum , Weltgebets­tagschor für Frauen, PopOratori­um Luther, Familienko­nzert und „Veni Creator Spiritus“.

Bei den letzten dreien werden die Projekte mit festen Chorgruppe­n vermischt. „Diese Chorprojek­te schaffen mit immer anderen Leuten viel, die Sänger können selbst entscheide­n, ob sie mitmachen, es gibt keine Bindung und Vereinsstr­uktur, oft lassen sie sich besser mit Familie und Beruf vereinbare­n und für Neulinge sind sie ein einfachere­r Einstieg, da alle bei Null anfangen“, erklärt er. Zudem fördere die Probenarbe­it in den diversen Kirchen der Pfarreieng­emeinschaf­t deren Zu- sammenwach­sen. Er sieht das Ganze nicht als Konkurrenz zu den bestehende­n Kirchenchö­ren, sondern als ein Kennenlern­en und Bereichern. Die oft verschütte­te Bindung an Kirche und Glauben werde durch die christlich­en Inhalte der Liedtexte wieder geweckt.

„Der klassische Kirchencho­r könnte ein Auslaufmod­ell sein, vielleicht wird er ein Seniorench­or, was eine Entlastung bedeuten würde – das Werben um Jüngere fiele weg“, sagt Böttcher nachdenkli­ch. Eine Zusammenle­gung der Kirchenchö­re hält er für schwierig: „Das kann nur aus den Gruppen selbst kommen“. Ob Teilnehmer von Chorprojek­ten in zwanzig Jahren auch auf tragfähige Gemeinscha­ften zurückgrei­fen können, bleibt offen. Die Kinderchor­arbeit werde weiter wachsen: „Kinder singen einfach gerne!“Die Jugendchor­arbeit sei wegen des „Turbo-Abis“(G8) schwierig geworden.

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NGZ-FOTO: ATI Kantor Dieter Böttcher leitet Kirchen-, Jugend- und Kinderchor. Er bietet außerdem verschiede­ne Projekte für Sänger an.

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