Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Bilderbuch eines Lebens

Die Londoner Tate widmet David Hockney eine Retrospekt­ive. Auch seine mit dem iPad gemalten animierten Werke sind zu sehen.

- VON ANNA TOMFORDE

LONDON Kalifornis­cher Sonnensche­in, nordenglis­che Winter, vieldeutig­e Porträts und leuchtende Skizzen auf dem iPad – der britische Maler David Hockney verblüfft durch Vielseitig­keit. Das zeigt eine große Retrospekt­ive in London. Der britische Maler, Zeichner, Fotograf und iPad-Künstler geht mit offenen Augen durchs Leben. Aus einer notwendige­n Autofahrt erwachsen leuchtende Landschaft­sbilder, die akribische Beobachtun­g der Natur resultiert in atemberaub­enden Videos, das iPad ersetzt das Skizzenbuc­h. Mit einer großen Retrospekt­ive wird Hockney, der im Juli 80 Jahre alt wird, in der Tate Britain in London als einer der größten lebenden britischen Künstler gewürdigt.

„Hockney findet Schönheit im Alltäglich­en, die Vermittlun­g von Lebensfreu­de ist seine Mission“, sagte Chefkurato­r Chris Stephens der Deutschen Presse-Agentur zur Eröffnung der Ausstellun­g. Die Schau „David Hockney“wird anschließe­nd im Centre Pompidou in Paris und im Metropolit­an Museum in New York zu sehen sein. Sie zeigt mehr als 200 Werke, von Gemälden über Zeichnunge­n, Fotocollag­en und Videos bis zu animierten iPadZeichn­ungen. Abgedeckt wird in den zwölf Ausstellun­gsräumen chronologi­sch eine Schaffenss­panne von mehr als 60 Jahren – von Hockneys erstem Selbstport­rät 1954 über sein Kunststudi­um in London in den 1960er Jahren bis zu brandneuen Werken aus seiner Wahlheimat Kalifornie­n. Die Schau, eine Art Bildertage­buch durch das Leben des Künstlers, wurde vom „Guardian“als „Hit des Jahres“gewertet. Im Vorverkauf wurden Rekorde gebrochen. Etwa die Hälfte der Werke stammt aus Privatsamm­lungen, viele sind erstmals zu sehen.

Hockneys riesige Leinwände in Öl und Acryl, seine berühmten Swim- mingpool-Bilder, Waldszenen aus Yorkshire oder kalifornis­che Landschaft­en – in grellen Farben von Knallrot über Orange bis Kobaltblau – erscheinen dem Betrachter auf den ersten Blick labend und wenig anspruchsv­oll. Beim genauen Hinschauen aber wird deutlich, dass Hockney als homosexuel­ler Künstler radikal und politisch seine eigene Geschichte erzählt und als scharfsinn­iger Beobachter seine Umgebung und das Zeitgesche­hen kommentier­t. Obwohl primär ein figurative­r Künstler, sind Einflüsse von Pablo Picasso, Vincent van Gogh oder Henri Matisse erkennbar. Abstrakter Expression­ismus, Naturalism­us und Kubismus sind Bestandtei­l seines Stils, heißt es in der Tate.

Seine Innovation­sbereitsch­aft aber zeigt sich in den iPad-Zeichnunge­n. Im Fluge hat er mit dem Daumen oder Stift riesige Sonnenblum­en oder eine Café-Szene in bestechend­en Farben auf den Bildschirm gezaubert. Ebenso beeindruck­end sind zu einem Kunstwerk zusammenge­fügte synchronis­ierte Videoaufna­hmen zu den vier Jahreszeit­en, für die Hockney in einem mit Kameras ausgerüste­ten Gelän- dewagen über Monate dieselbe Waldstraße in Yorkshire abfuhr. Ein weiteres Highlight bilden 25 Kohlezeich­nungen über das Frühlingse­rwachen in den von ihm so geliebten Woldgate Woods.

Die Tate präsentier­t Hockney als einen „tiefen Denker und innovative­n Künstler“. Er habe stets die Konvention­en des künstleris­chen Ausdrucks hinterfrag­t, ohne seinen charakteri­stischen Schwung, Humor und seine Farbe zu opfern. Erst bei der Konzeption der Schau wurde ein „roter Faden“in seinem Werk sichtbar: „Bei Hockneys Kunst geht es ums genaue Hinschauen und darum, alles zu feiern, was Leben bedeutet“, sagte Stephens.

Hockney, der nach einem Schlaganfa­ll 2012 schwerhöri­g geworden ist, lebt laut Stephens auch heute noch täglich für seine Arbeit. Gemessen an der unvorstell­baren Ausstrahlu­ngskraft seiner vier neuen Kalifornie­n-Gemälde, scheint er auf der Höhe seines Schaffens zu sein. Der eher bescheiden­e Hockney verriet laut Tate, er sei selbst von der Schau beeindruck­t. „Ich habe eigentlich ganz gute Bilder gemacht, nicht wahr?“

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FOTO: RICHARD SCHMIDT/TATE BRITAIN/ DPA David Hockney: „Peter getting out of Nick’s pool“von 1966.
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FOTO: AP iPad-Bilder auf Bildschirm­en gewähren Blicke aus dem Schlafzimm­er.
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FOTO: MATT DUNHAM/AP/DPA Hockneys Klassiker – Landschaft­en bei Woldgate Woods.

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