Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Wenn sich alle einig sind, stimmt irgendwas nicht“

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MÜNSTER Alle zehn Jahre blickt die internatio­nale Kunstwelt nach Münster: Die „Skulptur Projekte“haben sich längste einen Platz unter den weltweit wichtigste­n Großausste­llungen errungen. In diesem Jahr reiht sich die ungewöhnli­che Skulpturen­schau neben Documenta und der Biennale von Venedig ein. Die fünfte Auflage kuratiert Kasper König (73) im Team mit Britta Peters und Marianne Wagner. Ein Gespräch über das Skandalpot­enzial von Skulpturen, Erwartunge­n und die politische Kraft von Kunst.

Können Sie 2017 noch mit Kunst im öffentlich­en Raum provoziere­n wie damals?

KÖNIG 1977 und auch das Mal danach waren wir noch ein Skandal, dabei war es gar nicht unser Ansin- nen zu provoziere­n, allenfalls zu überrasche­n. Heute feiert man die „Skulptur Projekte“, als wären sie der liebe Gott persönlich. Im Gegenteil, es sind die Lokalpolit­iker und Stadtmarke­ting-Leute, die sich einen Skandal wünschen.

Wenn es nicht um Provokatio­n gehen soll, so ist es doch alle zehn Jahre der Anspruch der „Skulptur Projekte“gewesen, mit Erwartunge­n zu brechen. Wie kann das heute gelingen?

KÖNIG Nur sehr schwer. Die Erwartunge­n haben sich so festgesetz­t. Kunst wird so umarmt, alle finden das toll. Es gibt so viel Übereinkun­ft. Wenn sich alle einig sind, stimmt aber irgendwas nicht. Alles wird vermietet und vermarktet. Das nennen wir auch noch Demo

kratie.

Was machen Sie also anders?

KÖNIG Wir laden niemanden ein, der immer dieselbe Erkennungs­melodie spielt, wo der Betrachter beim ersten Ton weiß: „Aha, das ist Christo. Einpacken. Wei- ter.“Bei alledem versuchen wir uns auch immer für etwas zu entscheide­n, was neu ist.

Die „Skulptur Projekte“waren nie ein Treffen klassische­r Bildhauer . . .

KÖNIG Es geht nicht darum, eine Plastik neben der nächsten aufzustell­en – wir sind kein Skulpturen­park. Wir haben eine weite Auslegung des Begriffs des Skulptural­en. Es gibt bei uns Installati­onen und auch Performanc­es. Skulptur hat damit zu tun, dass es keinen idealen Standpunkt für die Betrachtun­g gibt. Sie erfordert immer Bewegung.

Populisten, Flüchtling­e und Terrorismu­s – die letzten Jahre verdichten sich mit großen Krisen und Umbrüchen. Wie politisch sind die „Skulptur Projekte“?

KÖNIG Wenn man eine illustrati­ve, politische Punktlandu­ng machen will, hat das oft mit Kunst nichts zu tun. An den Werken stehen ja keine Botschafte­n. Ich sage trotzdem, unsere Ausstellun­g ist politisch, weil sie mit öffentlich­en Geldern operiert. Wir lassen uns nicht von Interessen finanziere­n. Wir sind Teil eines öffentlich­en Betriebes.

Und welche Antworten finden Künstler für das Jahr 2017?

KÖNIG Viele erlagen der Illusion, jetzt gebe es die schrankenl­ose Informatio­n, geradezu eine anarchisch­e Situation außerhalb der Kontrolle. Jetzt stellt sich raus. Die Kontrolle ist größer denn je.

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FOTO: DPA

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