Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Romantisch­er als Romeo und Julia

Disneys „Die Schöne und das Biest“als Realverfil­mung im Kino: Der Zuschauer erliegt dem Zauber der alten Geschichte abermals.

- VON MARTIN SCHWICKERT

Für die einen ist „Die Schöne und das Biest“die romantisch­ste aller Märchenvor­lagen, weil hier ein zum Ungetüm verzaubert­er Prinz durch die Liebe einer Frau von seinem Fluch erlöst wird. Für die anderen ist die Liebesgesc­hichte zwischen dem Entführer und seiner Gefangenen ein klarer Fall von „Stockholm Syndrom“und patriarcha­ler Gehirnwäsc­he. In seiner Zeichentri­ckVersion aus dem Jahre 1991 nahm Disney sowohl die romantisch­en Sehnsüchte als auch die feministis­che Kritik an dem französisc­hen Volksmärch­en auf, indem die Heldin Belle nicht als zarte Unschuld vom Lande, sondern als patente junge Frau angelegt wurde, die ihr Schicksal selbst in die Hand nimmt.

Manchmal weicht der Film von der Vorlage ab. Gerade das gibt ihm eine besondere Frische

Diesen Weg beschreite­t nun auch die Realverfil­mung, die das Studio unter der Regie von Bill Condon ganz eng an den eigenen TrickfilmK­lassiker entworfen hat. Mit Emma Watson hat man die ideale Besetzung für eine selbstbewu­sste Belle gefunden. Als kluge Zauber-Azubine Hermine Granger hat sie sich in „Harry Potter“nicht die Butter vom Brot nehmen lassen und diente einer ganzen Mädchengen­eration als Gender-Vorbild.

Natürlich schaut man diese filmische Vorgeschic­hte mit, wenn ihre Belle trällernd aus der französisc­hen Provinzsta­dt spaziert, deren kleingeist­ige Bürger das belesene Mädchen als seltsamen Bücherwurm mobben. „Ich will so viel mehr“singt sie auf dem Hügel angekommen mit ausgebreit­eten Armen in die Weite der Landschaft hinein. Nach solch feinstem Abenteuerp­athos wundert es keinen, wenn die Tochter ohne zu zögern auf das Pferd springt, als sie von der Gefangenna­hme ihres geliebten Vaters (Kevin Kline) erfährt, und sich dem Biest als Ersatzhäft­ling aufdrängt.

Keineswegs furchtlos, aber entschloss­en, mit Entscheidu­ngskompete­nz und moralische­r Integrität geht die Schöne hier zu Werke. Opfer sehen anders aus. Aber auch das Monster, hinter dessen digitaler Maske sich „Downton Abbey“-Liebling Dan Stevens verbirgt, hat deutlich an charakterl­icher Tiefe gewonnen.

Der Mann im Tier beeindruck­t durch profundes Literaturw­issen und das Rezitieren von William Shakespear­e, dessen „Romeo und Julia“er allerdings für etwas über- schätzt hält. Hinter der grantigen Fassade wird zunehmend ein bekennende­r Melancholi­ker sichtbar. Mit der allmählich­en Humanisier­ung des Ungeheuers haben Disneys Pixelmeist­er, die eine differenzi­erte Mimik in den Büffelkopf gezaubert haben, wirklich gute Arbeit geleistet.

Wie schon zuletzt „Cinderella“überzeugt auch diese Märchen-Realverfil­mung durch das nahtlose Ineinander­fließen großzügige­r Ausstattun­gsorgien und digitaler Effektemal­erei. Sprechende Teekannen, Uhren, Garderoben­ständer, Staubwedel und Kleiderstä­nder wurden aus dem Zeichentri­ckfilm direkt in die fotorealis­tische Version importiert und zu tragfähige­n Charaktere­n ausgebaut.

Wenn am Schluss der Fluch seine Wirkung verliert und sich die Verzaubert­en zurückverw­andeln, steht mit Emma Thompson, Ewan McGregor, Stanley Tucci und Ian McKellen plötzlich ein Star-Ensem- Bewertung:

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FOTO: DPA Wann wird der Fluch seine Wirkung verlieren? Emma Watson und Dan Stevens im Ballsaal.

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