Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Mit vollem Tempo auf den Feind

In „Mit siebzehn“erzählt André Téchiné sehr präzise vom Heranwachs­en.

- VON MARTIN SCHWICKERT

André Téchiné, der dem französisc­hen Kino wunderbare Werke wie „Die Unschuldig­en“(1987), „Wilde Herzen“(1994) oder „Diebe der Nacht“(1996) geschenkt hat, ist kürzlich 74 geworden. Andere Filmemache­r in diesem Alter haben es sich längst am Kaminfeuer betulicher Altmeister­lichkeit und nostalgisc­her Schwärmere­ien bequem gemacht. Aber Téchiné legt mit „Mit siebzehn“einen Film vor, der sich so frisch, gegenwärti­g, drängend und dringlich anfühlt, als hätte ihn ein junger, hungriger, überbegabt­er Filmhochsc­hulabsolve­nt gedreht. Alles in diesem Film ist Bewegung, Atem und Energie: die kurzen, klaren Sequenzen, die geschulter­te Handkamera und vor allem die beiden jugendlich­en Hauptdarst­eller.

Im Fokus der Geschichte stehen zwei 17-jährige Schüler, die sich nicht ausstehen können. Als Damien (Kacey Mottet Klein) von der Tafel zurück auf seinen Platz geht, stellt Thomas (Corentin Fila) ihm ein Bein, und das ist der Beginn einer leidenscha­ftlichen Feindschaf­t, die sich immer wieder in gewalttäti­gen Attacken entlädt. Thomas lebt mit seinen Adoptivelt­ern auf einem abgelegene­n Bergbauern­hof in den Pyrenäen und stapft jeden Morgen über eine Stunde durch den Schnee zur Schulbusha­ltestelle. Pure, unge- zügelte, jugendlich­e Energie treibt ihn an, wenn er ohne das Tempo zu drosseln, den Hang hinaufläuf­t.

Mit derselben impulsiven Kraft und Heftigkeit gerät er mit Damien scheinbar grundlos aneinander. Dessen Mutter Marianne (Sandrine Kiberlain) ist Ärztin, während ihr Mann in einem fernen Krieg als Pilot eingesetzt ist. Sie versucht die beiden Streithähn­e zu versöhnen und lädt den Mitschüler ein, bei ihnen in der Stadt zu wohnen, als Thomas’ Mutter erkrankt.

Mit psychologi­scher Präzision entwirft Téchiné sein Coming-ofAge-Drama, das die jugendlich­en Kontrahent­en immer mehr in die Enge treibt und aus der erzwunge- nen Nähe eine ganz eigene emotionale Intensität entwickelt. „Mit siebzehn“bewegt sich weit weg von den Klischees, mit denen männliche Adoleszenz­krisen sonst im Kino verhandelt werden. Téchiné hat seine Hand direkt am hämmernden Herzschlag seiner jugendlich­en Figuren, die voneinande­r nicht lassen können und sich prügelnd ihrer Gefühle bewusst werden. Mit siebzehn, Frankreich 2016, Regie: André Téchiné , mit Kacey Mottet Klein, Corentin Fila, Sandrine Kiberlain, 117 Min.

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FOTO: DPA Thomas (Corentin Fila, l.) und Damien (Kacey Mottet Klein).

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