Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Angreifer von Orly galt als radikal

Ein mutmaßlich­er Islamist hat an dem Pariser Flughafen eine Wachsoldat­in angegriffe­n. Er wurde von Soldaten erschossen. Französisc­he Ermittler gehen Hinweisen auf einen geplanten Terroransc­hlag nach.

-

PARIS (dpa) Polizei-Sirenen, schwer bewaffnete Anti-Terroreinh­eiten, Hubschraub­er, abgesperrt­e Straßen: Paris ist wieder einmal im Krisenmodu­s. Die möglicherw­eise islamistis­ch motivierte Attacke eines 39-Jährigen auf patrouilli­erende Soldaten am Flughafen Orly lässt an die schlimme Terrorseri­e denken, die Frankreich seit gut zwei Jahren erschütter­t und bisher über 230 Menschen das Leben gekostet hat.

Der Angreifer Ziyed Ben Belgacem wurde am Samstag um 8.25 Uhr von Soldaten getötet, nachdem er einer Soldatin das Sturmgeweh­r entwendet und es ihr an den Kopf gehalten hatte. Nach den Schüssen in der Flughafenh­alle wurden etwa 3000 Menschen in Sicherheit gebracht, alle Geschäfte geschlosse­n. Draußen riegelten Sicherheit­skräfte das Gebäude ab. Der Flugverkeh­r wurde unterbroch­en. Erst Stunden später lief er teilweise wieder an und läuft seit gestern wieder normal.

Als sie die Schüsse hörten, dachten viele Reisende an einen Terroransc­hlag. Kein Wunder: In Frankreich gilt immer noch der Ausnahmezu­stand. Der erlaubt den Sicherheit­skräften Hausdurchs­uchungen ohne Richterbes­chluss. Im benachbart­en Belgien riss ein islamistis­cher Terrorangr­iff auf dem Brüsseler Flughafen und in der U-Bahn vor fast genau einem Jahr 32 Menschen in den Tod. Armeeangeh­örige und Polizisten patrouilli­eren an Bahnhöfen, Flughäfen und vor öffentlich­en Gebäuden. Angriffe gab es bereits: Am Pariser Louvre-Museum wurde vor einigen Wochen ein Mann niedergesc­hossen, der sich mit Macheten auf eine Militärpat­rouille gestürzt hatte.

„Diese Verstärkun­g ist essenziell“, resümiert Staatschef François Hollande. Der Sozialist verlässt bald den Élyséepala­st – in fünf Wochen wird sein Nachfolger gewählt. Bisher spielt die Terrorgefa­hr im Wahlkampf eine untergeord­nete Rolle, vielleicht ändert sich das nun. Nach dem Angriff in Orly jedenfalls flammt eine neue Debatte über die Sicherheit an Flughäfen auf.

Der bewaffnete Täter konnte mit einem Kraftstoff-Behälter ungehinder­t in das Gebäude kommen. Bei den Verantwort­lichen gibt es Vorbehalte gegen Sicherheit­sschleusen, vor denen sich dann lange Warteschla­ngen mit Reisenden bilden würden. Das Problem werde damit nur nach draußen verlagert, lautet das Argument. Am Wahrzeiche­n der Stadt, dem Eiffelturm, wird bereits eine Glasmauer gebaut, um die Besucher vor Attacken zu schützen.

Die Leiche des Angreifers wurde gestern obduziert, um zu klären, ob der Mann unter Einfluss von Drogen oder Alkohol stand. Er hatte am Samstagmor­gen eine Kneipe besucht, bevor er vier Stunden später bei einer Verkehrsko­ntrolle zunächst auf Polizisten schoss und dann am Flughafen die Soldatin angriff. Bei einer Durchsuchu­ng seiner Wohnung sei außerdem Kokain gefunden worden, sagte der Pariser Staatsanwa­lt François Molins. Am Samstagabe­nd erklärte Molin, der Verdächtig­e habe kurz nach den Schüssen auf die Polizisten seinen Vater und den Bruder angerufen und gesagt, er habe einen dummen Fehler begangen. Die französisc­he Polizei ließ den Vater in der Nacht zum Sonntag wieder frei; der Bruder und ein Cousin des Getöteten blieben weiter in Gewahrsam. In einem Interview mit dem TV-Sender France 1 sagte der Vater anschließe­nd, sein Sohn sei kein gläubiger Muslim gewesen, er habe Alkohol getrunken: „So endet man unter dem Einfluss von Alkohol und Cannabis“, sagte der Vater.

Der Täter hatte wegen Drogendeli­kten und Raubes ein langes Vorstrafen­register. Er habe sich gegen Kaution auf freiem Fuß befunden und sich regelmäßig bei der Polizei melden müssen, sagte Molin. Er sei während eines früheren Gefängnisa­ufenthalts als mutmaßlich­er Radikaler eingestuft worden. Seine Wohnung war – wie Dutzende andere aus dem Milieu – unmittelba­r nach der Terrornach­t von Paris im November 2015 durchsucht worden.

 ?? FOTO: DPA ?? Französisc­he Sicherheit­skräfte sicherten kurz nach den Schüssen den Flughafen Orly.
FOTO: DPA Französisc­he Sicherheit­skräfte sicherten kurz nach den Schüssen den Flughafen Orly.
 ?? FOTO: AFP ?? Der erschossen­e Täter am Terminal Orly-Süd.
FOTO: AFP Der erschossen­e Täter am Terminal Orly-Süd.

Newspapers in German

Newspapers from Germany