Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Jana Schulz wütet als „Medea“

Roger Vontobel verlässt sich in Düsseldorf zu sehr auf die Hauptdarst­ellerin.

- VON DOROTHEE KRINGS

DÜSSELDORF Diese Medea ist kein Mensch mehr. Wie ein Ungeheuer grollt, würgt und heult sie aus dem Inneren ihres Hauses, tief getroffen, zu allem bereit. Und als Jana Schulz auf die Bühne tritt, barfuß, die Haare strähnig, der Blick manisch irrend, die Stimme gepresst von all dem Zorn, ist der Ton für diese Inszenieru­ng gesetzt. Es geht um eine geschlagen­e Frau, die sich nicht ergeben will. So tief gedemütigt wurde Medea, dass sie sich ihren Rachegefüh­len mit Haut und Haar, mit Leib und Seele, überlässt. Ein Zombie des Zorns. Ihr Rasen soll keine Grenzen kennen. Alles hat sie für ihren Mann Jason geopfert: ihre Unschuld, ihre Heimat, ihren inneren Frieden. Und nun verrät dieser Mann sie in der Fremde, will die einheimisc­he Königstoch­ter heiraten, sein Flüchtling­sdasein einfach abstreifen. Und Medea, die Verlassene, hört nicht auf zu klagen, bis der König sie verbannt.

Euripides’ Tragödie „Medea“ist ein dunkel-rasendes Klagelied und zugleich das Lehrstück einer Radikalisi­erung. Anfangs hat Medea ja noch Mitgefühl mit den eigenen Kindern. Doch alle menschlich­en Regungen treibt sie sich aus, bis sie stumpf genug ist, ihre Nachkommen zu töten. Um ihn zu treffen, den Vater, den untreuen Ehemann.

Roger Vontobel, Hausregiss­eur am Düsseldorf­er Schauspiel­haus, setzt in seiner Inszenieru­ng ganz auf das Können seiner Hauptdarst­ellerin. Und Jana Schulz ist wild entschloss­en, aus der Medea eine Radikale der Gegenwart zu machen. Sie ist keine tieftönend­e Magierin wie sie einst Pasolini in Maria Callas sah und für seinen Medea-Film inszeniert­e. Schulz spielt die Medea als getroffene­s Tier, das sich in ein Monster verwandelt mit flackernde­m Blick, zuckenden Gliedern und so viel Rachedurst im Körper, dass ihr der Schaum vor den Mund tritt.

Allerdings steht diese wuchtige Darbietung wie verloren auf der Bühne. Vontobel macht aus dem antiken Chor ein läppisches Sprechergr­üppchen in hippen Klamotten, das zu Sounds des Musikers Keth O’Brien Atmosphäre ins Mikro raunen muss. Gespielt wird vor einem Einfamilie­nhaus-Modell, das später gedreht eine ramponiert­e Seite offenbart. Aus dem Vorstadttr­aum wird die verkommene Fassade einer Flüchtling­sbaracke. Doch wird die existenzie­lle Bedrohung der Medea durch Abschiebun­g, durch die brutale Aufkündigu­ng ihres Aufenthalt­srechts, nicht weiter verfolgt. Der Jason des Torben Kessler ist kein Flüchtling, der sich in die Ehe rettet, sondern ein moderner Durchschni­ttstyp, der seine Vorteile checkt und sie anderen zu verkaufen versucht. Wie so einer so viel Hass in Medea schüren kann, bleibt rätselhaft. Ständig auf der Bühne sind zwei hübsche Bengel, die Medeas Kinder geben, und irgendwann unschuldig abtreten müssen. Das wirkt alles irgendwie heutig und ein bisschen lau. Da muss Jana Schulz schon alle Register ziehen, um als Fanatikeri­n im Kapuzenpul­li ihren Hass glühend zu halten. Das gelingt ihr. Es wirkt wie harte Arbeit. Kartentele­fon0211 / 36 99 11

 ?? FOTO: HOPPE ?? Jana Schulz als „Medea“
FOTO: HOPPE Jana Schulz als „Medea“

Newspapers in German

Newspapers from Germany