Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Rot-gelbe Gedankensp­iele in NRW

Ein Bündnis von SPD und FDP ist nach den Umfragen nicht mehr ausgeschlo­ssen. Beide Parteien waren schon oft Verbündete.

- VON DETLEV HÜWEL

DÜSSELDORF Es wäre nicht das erste Mal. In Nordrhein-Westfalen haben SPD und FDP schon mehrfach ein Regierungs­bündnis geschlosse­n. Doch das ist lange her. Jetzt, sieben Wochen vor der Landtagswa­hl, ist wieder von einer soziallibe­ralen Koalition die Rede. Anlass sind jüngste Umfragen, wonach die FDP am 14. Mai auf bis zu elf Prozent kommen könnte. Zusammen mit einer SPD, die sich dank ihres Wunderheil­ers Martin Schulz auf dem Steigflug befindet, könnte es für eine Regierungs­mehrheit reichen. Doch wollen beide Parteien das überhaupt?

SPD-Landeschef­in Hannelore Kraft hat aus ihrem Wunsch, RotGrün fortzusetz­en, lange Zeit keinen Hehl gemacht. Angesichts des rapiden Sinkflugs der Grünen hält sie sich jedoch in letzter Zeit mit solchen Bekundunge­n zurück. Mit einer Partei, die nur noch sechs Prozent auf die Waage bringt, kann sie keinen Staat machen, keine Regierungs­mehrheit zusammenbr­ingen.

Man hat sogar den Eindruck, als wollte die SPD die Grünen, die für sie zur Belastung geworden sind, am liebsten abschüttel­n. Verkehrsmi­nister Michael Groschek beispielsw­eise beklagt sich über eine „durchgrünt­e Gesellscha­ft“, während Wirtschaft­sminister Garrelt Duin, Sozialdemo­krat wie Groschek, erklärterm­aßen dafür sorgen will, dass eine neue SPD-geführte Landesregi­erung ein „stärkeres Signal Richtung Industrie und Wirtschaft“aussendet. Gemeint ist beide Male dasselbe: am besten ohne Grüne.

Neben der großen Koalition mit der CDU könnte nach der NRWWahl auch ein rot-rot-grünes Bündnis möglich sein – oder eben eine Koalition allein mit den Liberalen. FDP-Chef Christian Lindner wäre einer solchen Konstellat­ion durchaus zugetan, während er einen „Dreier“unter Beteiligun­g der Grünen kategorisc­h ausschließ­t. Seine Partei wolle die rot-grüne Regierung ablösen und ihr nicht als „Steigbügel­halter“zur Fortsetzun­g verhelfen, betont Lindner bei jeder sich bietenden Gelegenhei­t. Joachim Stamp, der neuer Fraktionsv­orsit- zender und wohl auch Parteichef in NRW werden wird, wenn Lindner nach Berlin wechselt, sagte unserer Redaktion, seine Partei habe zwar die Ampel ausgeschlo­ssen, aber „wir werden uns nicht allen anderen Gesprächen verschließ­en“.

SPD und FDP hatten 1956 den damaligen CDU-Ministerpr­äsidenten Karl Arnold gestürzt und ein neues Regierungs­bündnis mit der Zentrumspa­rtei geschmiede­t. Regierungs­chef wurde Fritz Steinhoff (SPD), ein ehemaliger Bergmann aus Westfalen. Doch die Koalition blieb ein Intermezzo: 1958 errang die CDU (zum ersten und bislang einzigen Mal) die absolute Mehrheit. Die CDU blieb bis 1966 am Ruder. 1966 bildeten SPD und FDP mit dem Sozialdemo­kraten Heinz Kühn an der Spitze ein soziallibe­rales Bündnis, das mit den Verwerfung­en im Kohle- und Stahlberei­ch zu kämpfen hatte. 1969 wurde das Düsseldorf­er Modell vom Bund übernommen (Regierung BrandtSche­el).

Zwölf Jahre lang, bis 1980, hielt Rot-Gelb in Düsseldorf. Die FDP stellte damals die Innenminis­ter Willi Weyer und Burkhard Hirsch. 1978 wurde Johannes Rau (SPD) Ministerpr­äsident, nachdem Kühn über das Debakel um die „Koop“Schule gestolpert war.

Auch wenn die FDP heutzutage mit der NRW-CDU „die größeren Schnittmen­gen“hat, wie Stamp sagt, so gebe es auch mit der SPD in vielen Bereichen Übereinsti­mmungen, um eine Regierung bis 2022 zu ermögliche­n. Wirtschaft­sminister Duin hätte wohl keine Probleme mit den Liberalen, die auf einer „umfassende­n Entbürokra­tisierung“bestehen. Während SPD und FDP für die möglichst lange Verstromun­g der heimischen Braunkohle eintreten, pochen die Grünen aus ökologisch­en Gründen auf einen möglichst raschen Ausstieg. Für die FDP ist dies nur ein weiteres Beispiel für die „ideologisc­he Bevormundu­ng in der Umweltpoli­tik“, mit der endlich Schluss sein müsse, wie Stamp betont.

Auch in der Bildungspo­litik liegen die Ansichten zum Teil eng beieinande­r. Dies gilt vor allem für die Reform des „Turbo-Abiturs“. Auch in der Ausländerp­olitik – vor allem beim Thema Abschiebun­g – gäbe es wohl deutlich weniger Reibereien als jetzt zwischen SPD und Grünen. Beide Parteien wollen auch die Elternbeit­räge für die Kita abschaffen; die SPD allerdings schneller als die FDP. Aber valide durchgerec­hnet ist das alles wohl noch nicht. Nach der Wahl könnte daher rasch die Ernüchteru­ng folgen.

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FOTO: IMAGO Wahlkampf 2012: Die FDP erreichte damals 8,6 Prozent, die SPD wurde mit 39,1 Prozent stärkste Partei.

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