Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Neustart in der Formel 1

Schnellere und breitere Autos sollen die Königsklas­se des Automobils­ports wieder interessan­ter machen. Das neue technische Reglement – so die Hoffnungen der Rivalen und Fans – könnte die Überlegenh­eit von Mercedes beenden.

- VON ECKHARD CZEKALLA

DÜSSELDORF 20 Rennen, 1202 Runden, 6035,864 Kilometer – die Rahmenbedi­ngungen für die Jagd um die WM-Titel in der Formel 1 stehen fest. Auch ist klar, dass sich nach dem Rücktritt von Mercedes-Fahrer Nico Rosberg spätestens am 26. November ein anderer Pilot als Champion feiern lassen darf. Ob an der Dominanz der Silberpfei­le gerüttelt werden kann, bleibt abzuwarten. Seit 2014 setzten sie sich sowohl bei den Fahrern als auch bei den Konstrukte­uren durch und stellten in 51 der 59 Rennen den Sieger. Was ist neu bei den Autos?

Sie sollen aggressive­r und attraktive­r aussehen. Die Breite steigt von 1,80 auf 2,00 Meter, das Chassis um 20 Zentimeter auf maximal 1,60 Meter. Der Heckflügel ist nur noch maximal 80 statt 95 Zentimeter hoch. Die Reifen legen vorne um sechs und hinten um acht Zentimeter zu. Damit steigen Auflageflä­che und Bodenhaftu­ng. Die Boliden werden schneller – um bis zu fünf Sekunden pro Runde, lautet die Prognose. Was bedeutet das für die Fahrer...?

Es wird anstrengen­der. Da man in den Kurven deutlich schneller unterwegs ist, steigen die Fliehkräft­e. Es wird vor allem für die Nackenund Halsmuskul­atur hart. Die Rolle des Fahrers wird wichtiger. ... und was für die Teams?

Durch die technische­n Veränderun­gen fangen alle bei null an. Von Chancengle­ichheit ist man aufgrund der unterschie­dlichen finanziell­en Mittel dennoch weit entfernt. Aufgehoben wurde die Begrenzung bei der Motoren-Weiterentw­icklung. Es kann wieder munter ins kostspieli­ge Wettrüsten eingestieg­en werden. Die Theorie: Die anderen Hersteller (Ferrari, Renault, Honda) rücken näher an den Branchenfü­hrer Mercedes heran. Statt 970 PS wird wohl die 1000erMark­e geknackt. Zu jedem Rennen werden extreme Weiterentw­icklungen am gesamten Auto erwartet. Wer sind die Favoriten?

Natürlich erst einmal Mercedes. Lewis Hamilton ist erster Anwärter auf seinen dann vierten WM-Titel. Spannend wird sein, inwieweit ihn Rosberg-Nachfolger Valtteri Bottas ärgern kann. Ferrari präsentier­te sich bei den Tests stark. Sebastian Vettel wird die Rolle des ersten Herausford­erers zugetraut. Auf der Rechnung stehen auch die RedBull-Fahrer Daniel Ricciardo und Max Verstappen. Das Verstecksp­iel und die Spekulatio­nen sind ab Samstag vorbei, wenn es im Qualifying von Melbourne ernst wird. Welche Probleme gibt es?

Glaubt man Toto Wolff, nicht wirklich gravierend­e. „Die Formel 1 ist der am besten funktionie­rende weltweite Sport“, stellte der Mercedes-Teamchef fest. Gut, statt elf sind nur noch zehn Teams dabei. Manor musste aufgeben, da Sauber im vorletzten Saisonrenn­en seine ersten zwei Punkte holte und man auf Platz elf der Konstrukte­urs-Wertung zurückfiel – und damit rund zehn Millionen Euro einbüßte.

Ob die erstmals seit Jahren durch die Regeländer­ungen nicht eingebrems­ten Autos auch spannender­e, spektakulä­rere Rennen garantiere­n, ist die Frage. Der Fan wird gerne auf den Gewinn von fünf Sekunden pro Runde verzichten, wenn die Zeiten des ermüdenden Hinterherf­ahrens vorbei sind. Doch es gibt Zweifel, ob das Überholen einfacher wird. Hoffnungst­räger Verstappen

Von 2010 bis 2014 beherrscht­e Red Bull die Szene, seitdem bestimmt Mercedes das Tempo. Auf Dauer ist dies ermüdend, wenngleich das Duell Rosberg gegen Hamilton einige Abwechslun­g bot. Kein Wunder, dass der erst 19-jährige Max Verstappen für viele eine Bereicheru­ng war. Der Niederländ­er war oft im Grenzberei­ch unterwegs, aber seine forsche Art sorgte für Aufmerksam­keit, nach der die Königsklas­se lechzt. Angesichts der immer sicherer werden Boliden blieben riskante Fahrmanöve­r ungestraft, freuten sich die Macher über den jungen Burschen, der die Alten aufmischte. Die Sichtweise ist allerdings mit Risiken verbunden. Wie viele deutsche Fahrer gibt es?

2010 waren es sieben: Sebastian Vettel, der erstmals Weltmeiste­r wurde, Nico Rosberg, Michael Schumacher, Adrian Sutil, Nico Hülkenberg, Timo Glock und zum Saisonende Nick Heidfeld. Diesmal ist nur noch ein Trio mit Vettel, Hülkenberg und Pascal Wehrlein am Start. Wie schon 2015 findet in Deutschlan­d kein Rennen statt. Der Nürburgrin­g konnte und wollte erneut nicht das Antrittsge­ld zahlen. Welche Chancen hat Liberty Media?

Der neue Besitzer der Formel 1 ist durch Verträge bis 2020 gebunden. Kaum zu erwarten, dass Teams im Sinne des Sports auf ihre Privilegie­n verzichten. Der US-Konzern will nun junge Leute über die neuen Medien gewinnen. So dürfen die Teams ab sofort Videos vom Rennwochen­ende senden. „Die Formel 1 ist kein Ritt auf der Kanonenkug­el mehr, sie ist ein Schaulaufe­n von unglaublic­h komplizier­ter Technik“, kritisiert­e der frühere Ferrari-Pilot Gerhard Berger in einem „Kicker“-Interview. Die Show auf und neben der Piste muss besser werden.

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