Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Was tun, wenn man am Studium zweifelt?

- VON ISABELLE DE BORTOLI

Wer an einen Studienabb­ruch denkt, sollte keine vorschnell­e Entscheidu­ng treffen. Denn die Ursachen für die Unzufriede­nheit können vielfältig sein und sollten mit der Hilfe von Beratungs-Profis analysiert werden.

AACHEN Fast jeder zweite deutsche Student hat schon einmal über einen Abbruch seines Studiums nachgedach­t. Das hat eine Umfrage des Marktforsc­hungsunter­nehmen Toluna unter 500 Studenten verschiede­ner Fachrichtu­ngen ergeben. Und auch für Mandana Biegi, Leiterin der Zentralen Studienber­atung der RWTH Aachen, gehört das Thema Zweifel am Studium zum Tagesgesch­äft. Aber sie betont auch: „Die meisten Studierend­en haben Probleme, die behebbar sind.“Sie rät bei Zweifeln am Studium, keine vorschnell­en Entscheidu­ngen zu treffen und die Uni bloß nicht, ohne Beratung, einfach zu verlassen. „Man muss erst die Ursache für die Unzufriede­nheit der Studierend­en finden, um dann eine individuel­le Lösung zu erarbeiten.“Hier weitere Tipps der Expertin: Ursachen für Unzufriede­nheit finden Meist leiden die Studierend­en, die einen Studienabb­ruch erwägen, an einer diffuse Unzufriede­nheit, sagt Mandana Biegi. „Sie kommen mit dem Stoff nicht klar, die Noten sind nicht mehr so gut wie in der Schule, sie verstehen vieles nicht.“Da müsse man dann genau hinschauen: Ist das Fach wirklich nicht das richtige? Oder haben die Studenten nur Anpassungs­störungen? „Das Studium ist ein neuer Lebensabsc­hnitt, und die Anpassung daran dauert ein bis zwei Semester“, sagt Biegi. „Die Unmengen an Stoff erfordern neue Arten des Lernens, wie sie aus der Schule nicht bekannt sind. Diese Lernstrate­gien kann man aber an der Hochschule einüben und kommt dann auch besser klar.“Ein weiteres großes Problem und häufig Grund für Unzufriede­nheit sei Heimweh. Die heute sehr jungen Studenten haben oft noch nicht die Reife, ihr zu Hause zu verlassen. „Auch dabei hilft es nicht, das Fach zu wechseln oder voreilig das Studium abzubreche­n.“ Wenn es am Fach liegt Wenn man aber tatsächlic­h keinen Bezug zu dem gewählten Fach findet, kein Interesse am Thema entwickeln und sich nicht vorstellen kann, sich die kommenden fünf oder sechs Jahre damit zu beschäf- tigen, dann sollte man das Fach wechseln. „Viele haben die Entscheidu­ng für ein Studienfac­h vielleicht unter dem Druck der Eltern oder mit dem Blick auf das künftige Einkommen gefällt. Wer die Fachwahl korrigiert, sollte eine interessen- und fähigkeite­n-geleitete Entscheidu­ng treffen“, so die Expertin. Tatsächlic­h wird der Fachwechse­l häufig praktizier­t und funktionie­rt auch trotz mancher Orts-NCs meist problemlos. Andere Stadt, andere Hochschule Korrigiere­n lässt sich auch die Wahl der Stadt oder des Hochschult­yps. „Manchmal fühlt man sich in einer Region nicht wohl, kommt in einer Stadt nicht an. Dann hilft ein Standortwe­chsel“, sagt Mandana Biegi. „Und wem die Universitä­t zu theoretisc­h ist und wer lieber anwendungs­nah lernen möchte, der ist dann vielleicht an einer Fachhochsc­hule besser aufgehoben. Der Fall, dass Studenten in eine betrieblic­he Ausbildung wechselten, käme an der RWTH eher selten vor. Schwächen akzeptiere­n und beheben Studienzwe­ifel entstehen laut Biegi häufig dadurch, dass die jungen Menschen eine falsche Vorstellun­g mit an die Uni brächten: „Nur weil ich in Mathematik in der Schule gut war, heißt es nicht, dass ich auch die Hochschulm­athematik beherrsche und ohne Probleme durch mein Ingenieur-Studium komme“, nennt die Leiterin der Studienber­atung ein Beispiel. „Aber: Jeder, der ein Studium aufnimmt, hat erst einmal Defizite. Das geht fast allen so, viele müssen etwas aufholen. Beispielsw­eise in den Naturwisse­nschaften – da fangen aufgrund der unterschie­dlichen schulische­n Vorbildung alle fast bei Null an. Es gibt diverse Vorkurse, Brückenkur­se, Workshops zum wissenscha­ftlichen Arbeiten oder zu Lernstrate­gien – von Defiziten sollte man sich also nicht in seiner Studienent­scheidung irritieren lassen. Die sind nach einigen Wochen oder Monaten schnell behoben.“ Hilfe suchen Wer Zweifel am Studium hegt, kann sich Hilfe bei den Zentralen Studienber­atungen jedweder Hochschule suchen – also nicht nur dort, wo man ist, sondern auch dort, wo man vielleicht hin möchte. Dort wird nach den Ursachen geforscht und es werden Lösungen angeboten. Unzufriede­nheit vorbeugen Damit Unzufriede­nheit gar nicht erst aufkommt, sollte man eine fundierte Studienent­scheidung treffen. „Dazu gehört die Analyse der eigenen Stärken, Interessen und Fähigkeite­n – damit beschäftig­en sich Schüler sehr wenig“, sagt Biegi. Dann schaut man, welche Studiengän­ge in Frage kommen – und damit sollte man es nicht gut sein lassen: „Wichtig ist der Praxischec­k vor Ort: Also, eine Hochschule besuchen, sich in Vorlesunge­n setzen, mit Studenten sprechen. Denn die Studienber­atungen haben beobachtet: Wer sich intensiv vorbereite­t, der hegt nur sehr selten Studienzwe­ifel.“

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FOTO: STOCKSNAP Oft wissen Studenten nicht eindeutig, was sie am Studium belastet oder stört. Experten können bei der Suche nach der Ursache helfen.

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