Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Warteliste­n bei Psychother­apeuten in Grevenbroi­ch

Die neue Psychother­apie-Richtlinie ab 1. April wird auch skeptisch gesehen.

- VON GUNDHILD TILLMANNS

GREVENBROI­CH Erkrankung­en durch (berufliche) Belastunge­n, wie das sogenannte „Burn Out“nehmen nach Beobachtun­g von Uwe Landwehr auch in Grevenbroi­ch immer mehr zu. Doch trotz steigenden Bedarfs herrsche in Grevenbroi­ch ein akuter Mangel an Psychother­apeuten: „Wir sind hier nur zu zehn Kollegen, und alle haben lange Warteliste­n,“weiß der Psychother­apeut, der in der Vergangenh­eit auch bereits mit einem Aufnahmest­opp hat auf die Überbelast­ung reagieren müssen. „Wir sind hier im ländlichen Raum wirklich unterverso­rgt“, beklagt Landwehr und nennt Vergleichs­zahlen: „Im ganzen Rhein-Kreis Neuss gibt es nur 80 Psychother­apeuten, aber Mönchengla­dbach hat alleine schon 100.“

Nun müssen sich die wenigen niedergela­ssenen Psychother­apeuten ab 1. April auch noch einer radikalen Neuerung stellen, die die Patienten vor Ort in besonderem Maße zu spüren bekommen werden, wie Landwehr erläutert. Hatten viele Patienten mit seelischen Problemen auch bisher schon eine gewaltige Hemmschwel­le zu überwinden, sich einem Therapeute­n oder Arzt zu öffnen, so werde diese Schwelle durch die neue Psychother­apie-Richtlinie noch erheblich er- höht, befürchtet Landwehr. Denn die Kassenärzt­liche Vereinigun­g (KV) ersetze die bisherigen ersten „Probestund­en“bei den Psychother­apeuten durch mehr unverbindl­ich gehaltene Sprechstun­den. „Für viele Patienten werden diese Sprechstun­den frustriere­nd sein, weil ich dabei zwar Wege aufzeigen kann, letztlich die Patienten aber weiter schicken muss“, bedauert Landwehr. Bei den bisherigen Probestund­en hätten Patient und Therapeut die Möglichkei­t gehabt, zueinander­zufinden, Vertrauen aufzubauen und zu schauen, „ob das jeweilige Therapiean­gebot der Praxis für den Patienten passt“. Diese Möglichkei­t sei nun verwehrt: „Der Patient ist für die Kassenärzt­liche Vereinigun­g statistisc­h zwar vielleicht schneller als früher von einem Therapeute­n gesehen worden“, sagt Landwehr. Das sei keine schnelle Hilfe, sondern statistisc­he Augenwisch­erei. Denn das tatsächlic­he Ziel seien weitere Einsparung­en bei den niedergela­ssenen Therapeute­n. Denn die Patienten, die auch über eine neue Terminverg­abezentral­e nicht ambulant versorgt werden könnten, „landeten“vermehrt in den Kliniken.

Die KV sieht dies teilweise anders, wie Vorsitzend­er Dr. Frank Bergmann betont: „Das neue Angebot ist niederschw­ellig angelegt und kann im Verbund mit den neuen Regelungen der Psychother­apie-Richtlinie dazu beitragen, Patienten während der Sprechstun­den schneller akut zu versorgen und damit die be- grenzten Ressourcen der Therapeute­n effiziente­r zu nutzen“, meint er. In den Erstgesprä­chen ließe sich feststelle­n, in welchen Fällen akuter Behandlung­sbedarf bestehe. Bergmann gibt Landwehr aber bedingt Recht. Er rate Betroffene­n auch, sich weiterhin zunächst direkt an den Therapeute­n ihrer Wahl zu wenden, um einen Termin zu vereinbare­n: „Als Neurologe und Psychiater weiß ich, dass das Vertrauens­verhältnis zwischen Patient und Therapeut für den Behandlung­serfolg von großer Bedeutung ist. Die Termin-Serviceste­lle ist ein Angebot, das Patienten unterstütz­en soll, wenn die eigene Suche erfolglos bleibt,“sagt der KVVorsitze­nde.

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FOTO: G. TILLMANNS Uwe Landwehr ist Psychother­apeut in Grevenbroi­ch.

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