Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
SPD: Väter sollen 150 Euro extra bekommen
Eltern mit kleinen Kindern sollen ihre Stundenzahl reduzieren können und dafür Geld erhalten, gleiches gilt für pflegende Angehörige.
BERLIN Die Sozialdemokraten haben mehr Zeit für die Familie als Thema für den Bundestagswahlkampf entdeckt: Vize-Parteichefin und Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig stellte gestern die Pläne für eine Familienarbeitszeit vor. Demnach sollen Berufstätige ihre Stundenzahl reduzieren können, um sich um die Betreuung ihrer Kinder oder eines zu pflegenden Angehörigen zu kümmern.
Das Konzept sieht erstens vor, dass beide Eltern junger Kinder ihre Arbeitszeit auf 26 bis maximal 36 Wochenstunden reduzieren und dafür bis zu zwei Jahre lang monatlich 150 Euro erhalten, zusammen also 300 Euro. Die Regelung soll auch für Alleinerziehende gelten. Zudem soll es einen Rechtsanspruch auf Rückkehr in die bisherige Arbeitszeit geben und einen Kündigungsschutz für die Zeit der Unterstützung. Eltern sollen dieses Familiengeld in zwei Abschnitte aufteilen können, bis zum achten Geburtstag des Kindes.
Zweitens sehen Schwesigs Pläne vor, dass pflegende Angehörige sich bis zu drei Monate vom Job für die Pflege eines Angehörigen freistellen lassen können und in der Zeit eine Lohnersatzleistung erhalten. Diese solle sich am Elterngeld orientieren, sagte Schwesig, das je nach vorherigem Nettoeinkommen mindestens 300 und maximal 1800 Euro betra- gen. Daran schließt sich die Möglichkeit an, ebenfalls bis zu zwei Jahre eine Familienarbeitszeit zu nutzen: Bis zu zwei Angehörige eines Pflegebedürftigen erhalten dabei pro Monat 150 Euro, wenn sie in einem Korridor zwischen 26 und 36 Stunden arbeiten. Wie beim bereits bestehenden Anspruch auf eine zehntägige Pflegeauszeit soll dabei der Begriff der Angehörigen weit gefasst sein, sagte Schwesig.
Erklärtes Ziel der Familienministerin ist es, mehr Männer zur Betreuungsarbeit in der Familie zu bewegen. Bisher wird die zu 80 Prozent von Frauen übernommen. „Wir müssen dringend zu einem Entlastungsangebot kommen, was ermöglicht, dass Beruf und Familie zu- sammengehen“, sagte Schwesig. Frauen sollten durch das Familiengeld ermutigt werden, ihre oft geringe Teilzeitarbeit aufzustocken. „Aber wir wollen vor allem die Väter ermutigen, sich stärker auch um die Kinder zu kümmern“, sagte die SPD-Politikerin. „Dieses Konzept wollen wir in der nächsten Legislatur mit einem Kanzler Martin Schulz umsetzen.“Zusammen mit den Vorschlägen der SPD für gebührenfreie Kitas, noch nicht näher definierten Entlastungen für Familien bei den Steuern und Abgaben und mehr Ganztagsschulen soll die Familienarbeitszeit Unterstützung bei der Doppelbelastung von Beruf und Familie schaffen. Der Union warf die Ministerin vor, eigene Wahlkampfversprechen nicht eingehalten und das bereits im Koalitionsvertrag verankerte Ziel einer Familienarbeitszeit für Eltern blockiert zu haben.
Die Kosten bezifferte die Ministerin auf rund eine Milliarde Euro für das Familiengeld für Eltern. 140.000 Haushalte wolle man damit erreichen. Die Ausgaben für das Familiengeld für pflegende Angehörige setzte Schwesig bei etwa 1,5 Milliarden Euro pro Jahr an. Für die Gegenfinanzierung setzt Schwesig einerseits auf höhere Steuereinnahmen durch mehr arbeitende Mütter und betont andererseits, dass die Pflegeausgaben bei einer stationären Betreuung mit rund fünf Milliarden Euro um ein Vielfaches höher seien.
Kritik an dem Konzept kam etwa vom Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes BDA, Steffen Kampeter. Er bezeichnete die Pläne als überflüssig und forderte stattdessen einen Ausbau der Ganztagsschulen. Bayerns Sozialministerin Emilia Müller (CSU) warf Schwesig vor, Väter und Mütter zu bevormunden. Und der Linkspartei gingen die Pläne nicht weit genug.