Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Der krümelnde Mann
Er hat es eine Woche lang probiert. Er hat seinen Kopf beim Abbeißen streng über dem Teller gehabt. Er hat mit geschlossenem Mund gekaut und nicht geredet. Gebracht hat es nichts – der Boden unter seinem Platz war nach dem Frühstück voller Krümel.
Es handelt sich um ein archaisches Phänomen, das auch die Evolution nicht hat reparieren können. Schon der Neandertaler-Mann war ein Krümelmonster. Tagsüber hatte er mit List und Tücke gejagt, zum Abendbrot fiel er im geistigen Niveau zurück. Nie krümelt ein Mann mit Absicht, es passiert einfach, vor allem wenn er frische Brötchen isst. Die Menge unter dem Tisch ergibt regelmäßig eine eigene kleine Mahlzeit. Dabei ist er es, der den auf der Gartenterrasse essenden Kindern einimpft: „Bloß nicht krümeln, das lockt nur die Ameisen an!“
Ist es Vergesslichkeit? Gedankenlosigkeit? Nein, Unfähigkeit. Bei manchen älteren Paaren wird über dieses Thema nur selten debattiert. Wer saugt bei ihnen die Reste weg? Die Frau. Es sind ja nur ein paar Krümel, lächelt sie. Junge Frauen erzählen ihren Kerlen etwas anderes, wenn sie krümeln und erwarten, dass jemand anderes das wegsaugt.
Warum schaffen es Männer nicht, ohne Reste auf dem Boden zu frühstücken? Die Verhaltensforschung steht ziemlich ratlos vor dieser Frage.
Andererseits fallen dem Krümler Argumente ein, mit denen er um Gnade bittet. In der Woche, so sagt er, sei er völlig im Stress, weil er zur Arbeit müsse, da fielen halt Krümel; und wenn die Zeit noch knapper sei, weil die Tochter für den Eyeliner im Badezimmer länger als gewöhnlich brauche, dann fielen aus Zeitmangel auch mehr Krümel. Für halbwegs krümelarmes Frühstücken müsse er sich erheblich konzentrieren, diese Energieleistung könne er früh morgens aber noch nicht aufbringen. Er