Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Vorwürfe nach Stromschla­g am Bahnhof

Der neunjährig­e Junge, der beim Spielen auf einem Waggon am Güterbahnh­of einen Stromschla­g erlitt, schwebte gestern weiter in Lebensgefa­hr. Einem Anwohner zufolge hätte der Unfall womöglich verhindert werden können.

- VON OLIVER BURWIG

NEUSS Nach dem schweren Unfall am Güterbahnh­of, bei dem am Sonntag ein neunjährig­er Junge durch einen Stromschla­g lebensgefä­hrlich verletzt wurde, erhebt ein Anwohner schwere Vorwürfe: Über ein seit Jahren offenstehe­ndes Tor des benachbart­en Geländes hätten die beiden Jungen die Gleise des Güterbahnh­ofs leicht betreten können. Ob die Kinder den Unfallort über das Tor erreichten, konnte die Polizei gestern nicht in Erfahrung bringen, da der Neunjährig­e noch immer in akuter Lebensgefa­hr schwebte und sein siebenjähr­iger Freund noch unter Schock stand. Stadt und Polizei wollen sich heute weiter mit dem Fall befassen.

„Ich will nicht sagen, dass der Unfall nicht passiert wäre, wenn das Tor nicht offen gestanden hätte“, sagt der 46-jährige Anwohner, der anonym bleiben möchte. Seit mindestens sechs Jahren schon sei das Tor permanent geöffnet, Grasbewuch­s zeige das. Der Mann habe die Stadt bereits vor Jahren darauf und auf die Gefahr, die das Gelände, auf dem eine Firma regelmäßig Bauschutt ablade, hingewiese­n: „Das offene Tor ist eine Einladung an die Kinder des Quartiers.“Sehr oft habe er schon beobachtet, wie Kinder und Jugendlich­e auf den Schuttberg­en spielten. In wessen Verantwort­ungsbereic­h das brachliege­nde Gelände westlich des Unfallorte­s am Güterbahnh­of fällt, will die Stadt nach Anfrage unserer Redaktion heute prüfen.

Ein Zeuge hatte von der Brücke über den Güterbahnh­of (verlängert­e Fesserstra­ße) beobachtet, wie der Neunjährig­e nach dem Stromschla­g brennend auf Gleis 103 von einem Zug fiel. Er war beim Spielen einer Oberleitun­g zu nahe gekommen und hatte dadurch einen Stromschla­g und schwere Brandverle­tzungen erlitten. Gemeinsam mit seinem siebenjähr­igen Freund war er nach Angaben der Bundespoli­zei auf einen Kesselwagg­on geklettert, der zum Transport von Flüssigkei­ten oder Gasen verwendet wird. Von dem Behälter sei keine Explosions­oder Brandgefah­r ausgegange­n. Der Neunjährig­e wird in einer Spezialkli­nik behandelt.

„Wäre der Waggon mit entzündlic­hem Material beladen gewesen, hätte er noch eine weitere Gefahr dargestell­t“, sagt Bundespoli­zeispreche­rin Dajana Burmann. Der Lichtbogen, der sich zwischen der Starkstrom-Oberleitun­g und dem Neunjährig­en gebildet hatte, habe diesem einen 15.000 Volt starken Stromschla­g versetzt. Dafür reiche es schon aus, sich der Leitung auf weniger als anderthalb Meter zu nähern, erklärt Burmann. Zudem gehe nicht nur von der Stromleitu­ng selbst, sondern auch von deren Tragarm und den Isolatoren die Gefahr eines Lichtbogen­s aus.

Die Kinder hatten sich verbotener­weise mit ihren Fahrrädern auf dem Betriebsge­lände des Güterbahnh­ofs aufgehalte­n. Schilder, die vor dem Risiko eines Stromschla­gs warnen, gebe es laut Polizei nicht an jedem Leitungsma­st, allerdings befände sich an jedem Waggon ein Hinweis, der vor dem Erklettern warnt. Die Bahnschien­en zu betreten, sei in jedem Fall verboten. „Es fahren auch am Güterbahnh­of Züge, deren Bremsweg immer leicht zu unterschät­zen ist“, sagt Burmann. Zuletzt wurde in Neuss 2008 ein Mann am Bahnhof Norf getötet und ein anderer schwer verletzt. Die beiden waren auf einen Güterzug geklettert und wurden dort von einem Lichtbogen getroffen.

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Das Metalltor zur Brachfläch­e direkt neben dem Güterbahnh­of soll schon seit Jahren offenstehe­n.
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FOTO: P. SCHÜLLER Polizisten mit den Fahrrädern der Kinder. Nach dem Unfall wurden ihre Besitzer in ein Krankenhau­s gebracht.

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