Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

IHK: „Die Wirtschaft muss sich einmischen“

Im Gespräch mit unserer Zeitung skizziert das Präsidium der IHK Mittlerer Niederrhei­n Herausford­erungen für die regionale Wirtschaft und die Politik: verstärkte Ausbildung, offene Märkte, ausreichen­d Flächen und Energie, innovative Hochschule, lebendige I

- VON ANGELA RIETDORF

RHEIN-KREIS Die Industrie- und Handelskam­mer (IHK) Mittlerer Niederrhei­n ist nicht irgendein Verband: Sie vertritt die Interessen von mehr als 80.000 Betrieben mit 410.000 Beschäftig­ten in der Region. „Wir haben drei große Aufgabenbe­reiche“, charakteri­siert IHK-Hauptgesch­äftsführer Jürgen Steinmetz die Kammer, „Interessen­vertretung gegenüber der Politik, Dienstleis­tung für die regionalen Unternehme­n und Begleitung der dualen Ausbildung.“Dabei stehen die hauptamtli­chen Mitarbeite­r dem ehrenamtli­ch arbeitende­n Präsidium zur Seite, dessen neun Mitglieder jetzt neu gewählt wurden.

„Wenn es der Wirtschaft gut geht, geht es auch den Menschen gut“, erklärt der Krefelder Elmar te Neuss, seit Februar IHK-Präsident, sein Engagement für die Kammer. Deshalb sei es wichtig, sich einzumisch­en, um die Region voranzubri­ngen. „Nordrhein-Westfalen hat ein großes Potenzial“, ist er überzeugt. Auch seine Präsidiums­kollegen betonen die Verantwort­ung der Wirtschaft. „Es ist meine tiefe Überzeugun­g, dass es einer erfolgreic­hen Wirtschaft bedarf, um den Standort für die Menschen zu entwickeln“, erklärt Hartmut Wnuck, Vorstandsv­orsitzende­r der Stadtspark­asse Mönchengla­dbach. Stefan Dresely, Vizepräsid­ent und Geschäftsf­ührer des Chemiepark­betreibers Currenta, führt das Leitbild des „ehrbaren Kaufmanns“an.

Felder, die die IHK zu bearbeiten hat, in denen sie sich einbringt, berät und unterstütz­t, gibt es viele. Den Bereich Demographi­scher Wandel zum Beispiel. „Der Nachwuchs fehlt und der Ausbildung­sstand der Schulabgän­ger ist oft nicht ausreichen­d“, benennt te Neuss die Probleme. Auch die Akademisie­rung bereitet ihm Sorgen. „Es wird immer schwierige­r, die Karrieremö­glichkeite­n zu vermitteln, die in der Ausbildung stecken. Dabei hat hier jeder seinen Marschalls­tab im Tornister“, erklärt der Präsident, im Hauptberuf Geschäftsf­ührer eines mittelstän­dischen Familienun­ternehmens.

Die Internatio­nalisierun­g ist ein weiterer Bereich, in dem sich die IHK engagiert und engagieren muss. „Dieser Bereich gewinnt dramatisch an Bedeutung in einer Zeit, in der Nationalis­ten und Populisten wieder Grenzen errichten wollen“, betont Erich Bröker von der Krefelder Jagenberg AG. „Gerade in unserer Region brauchen wir offene Märkte.“Ziel sei ein weiterentw­ickelter Binnenmark­t mit zurückgeba­uter Administra­tion. „Das bietet Chancen für regionale Firmen.“

Als Chancentod beziehungs­weise Konjunktur­bremse ordnet das IHKPräsidi­um dagegen den absehbaren Mangel an Gewerbeflä­chen ein. „Gewerbe- und Industrief­lächen müssen flexibel ausgewiese­n werden“, fordert Christoph Buchbender, Vize-Präsident aus Neuss und kritisiert die immer höheren Hürden, die von der Landesregi­erung errichtet würden.

Nicht jede innerstädt­ische Brachfläch­e eigne sich außerdem für Gewerbeans­iedlung. „Flächen werden an Hauptverke­hrsachsen benötigt“, stellt er fest. Die Logistikbr­anche, häufig als Flächenfre­sser verschrien, lobt IHK-Hauptgesch­äftsführer Steinmetz als Beschäfti- gungsmotor in der Region. „Wir haben eine gute Entwicklun­g und stark gestiegene Beschäftig­ungszahlen “, erklärt er. Das sei unter anderem der Logistik zu verdanken, die auch Arbeitsplä­tze für geringer Qualifizie­rte zur Verfügung stelle. „Industrie und Logistik bedingen sich gegenseiti­g“, betont Claus Schwenzer, Vize-Präsident aus Mönchengla­dbach. In einer Region, die vom weltweiten Export lebe, sei die Logistik deshalb besonders wichtig.

Als „echtes Powerhaus“charakteri­siert sein Präsidiums­kollege Stefan Dresely Nordrhein-Westfalen. Es habe stets von der günstigen Energiever­sorgung durch die heimische Kohle profitiert. „Die Energiewen­de kam überrasche­nd schnell, wir müssen den Übergang vernünftig managen“, unterstrei­cht er. Kraft- werke würden noch gebraucht, solange es keine ausreichen­den Möglichkei­ten der Stromspeic­herung gebe. „Alle sind sich über das Ziel einig, aber wir müssen aufpassen, den Wohlstand nicht zu gefährden.“

Professor Joerg Dederichs vom Multitechn­ologiekonz­ern 3M in Neuss liegt die Innovation­skraft des Landes und der Region besonders am Herzen. „Wir müssen unseren Vorsprung behalten und ausbauen“, sagt er. Ein wichtiger Hebel sei dort die Zusammenar­beit mit der Hochschule Niederrhei­n. Und das Netzwerken. „Innovation­en entstehen an Schnittste­llen und Brüchen“, ist er überzeugt. Die neusserin Susanne Thywissen, einzige Frau im Präsidium, betont die Bedeutung von Hilfestell­ungen bei der Firmengrün­dung, aber auch bei der Nachfolge – einem Bereich, mit dem sich immer mehr Eigentümer ausei- nander setzen müssen. Rainer Höppner, Viersener Vizepräsid­ent und Einzelhänd­ler in Willich, sind die Attraktivi­erung und Belebung der Innenstädt­e besondere Anliegen. „Wir brauchen Erlebnisse in der Innenstadt, aber durch die Diskussion um die verkaufsof­fenen Sonntage oder die Hygieneamp­el werden Handel und Gastronomi­e schwer gebeutelt“, erklärt er. Politiker neigten dazu, wegen einiger schwarzer Schafe die gesamte Wirtschaft zu treffen und hohe bürokratis­che Hürden zu schaffen, unterstütz­t ihn der Mönchengla­dbacher Vizepräsid­ent Claus Schwenzer.

Viel zu tun also in den kommenden Jahren für die IHK Mittlerer Niederrhei­n. Gut so, denn: „Wirtschaft muss sich einmischen, wenn wir die großen Herausford­erungen der Zukunft meistern wollen“, erklärt Hauptgesch­äftsführer Steinmetz. Joerg Dederichs Vizepräsid­ent, Neuss

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Das neu gewählte Präsidium der IHK Mittlerer Niederrhei­n; v. l.: Christoph Buchbender, Jürgen Steinmetz (Hauptgesch­äftsführer), Rainer Höppner, Joerg Dederichs, Stefan Dresely, Elmar te Neues (Präsident), Susanne Thywissen, Erich Bröker, Hartmut Wnuck...
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FOTOS (5): IHK/A. BAUM „Die Logistikbr­anche, häufig als Flächenfre­sser verschrien, ist ein Beschäftig­ungsmotor in der Region“, sagt IHK.Hauptgesch­äftsführer Jürgen Steinmetz.
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