Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Der Gewerbesteuer-Segen von Neuss
Unternehmensrechtler erklärt, wie Steuerschuld sprunghaft ansteigen kann.
NEUSS 150 Millionen Euro sind viel Geld. Auch für eine Großstadt wie Neuss mit fast 160.000 Einwohnern. Wenn da ein Unternehmen einen Gewerbesteuer-Geldsegen in dreistelliger Millionen-Höhe unverhofft an die Stadtkasse überweist, wie jetzt in Neuss geschehen, dann mag sich das im Rathaus wie ein Lottogewinn anfühlen. Für den Zahlungspflichtigen ist es aber eine Steuerschuld, die sich aus seinem unternehmerischen Handeln ableitet. Denn die Gewerbesteuer, die nahezu komplett den Kommunen zu fließt, wird auf den jährlichen Ertrag, den Vermögenszuwachs, erhoben, den ein Unternehmen im Geschäftsjahr erzielt.
Die Gewerbesteuer, so erklärt der Düsseldorfer Unternehmensrecht- ler Alexander Loos, atme mit der Gewinnentwicklung der Unternehmen. Die Stadt Neuss erwartet in diesem Jahr 175 Millionen Euro Einnahmen aus der Gewerbesteuer. Der größte Gewerbesteuerzahler bringt aktuell etwa 20 Millionen Euro ein.
Wie aber kann es zu einem derart sprunghaften Anstieg der Gewerbesteuer kommen wie in Neuss? Für den Unternehmensrechtler Alexander Loos ist klar, dass es zu einem Grundlagengeschäft (Verkauf, Verschmelzung von Tochterunternehmen, Verlagerung des Sitzes ins Ausland) in einem Unternehmen gekommen sein muss, bei dem sich die Eigentumsverhältnisse am Unternehmen selbst verändert haben. In diesen Fällen könne es durch Aufdeckung so genannter stiller Reserven dazu kommen, dass seit langem vorgetragene Buchwerte – etwa für vor hundert Jahren erworbene Grundstücke – durch viel höhere Zeitwerte abgelöst würden, die jetzt als Kaufpreis bezahlt wurden. Der Wertsprung könne beim Verkäufer einen hohen Gewinn auslösen und bei der Kommune zu einem einmaligen, unerwartet hohen Aufkommen von Gewerbesteuer führen.
Der Neusser Bürgermeister Reiner Breuer hatte jetzt im Hauptausschuss des Rates die Stadtverordneten informiert, dass ein Unternehmen 150 Millionen Euro als Gewerbesteuer an die Stadtkasse überwiesen habe. Wer die Zahlung getätigt hat, ist nicht bekannt. Steuergeheimnis. Der Rathaus-Chef warnte aber angesichts des Geldsegens vor allzu großer Euphorie. Der Gewerbesteuerbescheid sei noch nicht rechtskräftig veranlagt.