Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
„Herr der Düfte“betreibt 73 Parfümerien
Willi Becker jun. (36) führt in vierter Generation die größte private Parfümerien-Kette im Rheinland. In Neuss gegründet, feiert das Familienunternehmen jetzt sein 120-jähriges Bestehen. In digitaler Zeit bildet Becker verstärkt Fachkräfte aus.
NEUSS Alle reden vom digitalen Einkauf. Willi Becker (36) auch. Zehn Prozent seines Umsatzes erzielt er nach eigenen Angaben in seinem Internet-Shop. Tendenz steigend. Doch das eine tun und mit der digitalen Zeit gehen, heißt für den Inhaber von 73 Parfümerien nicht, das andere zu unterlassen, nämlich in seine 480-köpfige Belegschaft zu investieren. „Der stationäre Handel wird bleiben“, sagt Becker. Amazon sammele gerade Ladenerfahrung. Der Kunde erwarte immer bessere Beratung und kompetenteres Personal. Da Fachkräfte knapp sind, verstärkt er die Ausbildung für den eigenen Bedarf. Eine eigene „Becker“-Klasse wird am Berufskolleg Weingartstraße in Neuss unterrichtet, das die Berufsanfänger – zumeist junge Damen – nach drei Jahren in Theorie und Praxis als Kauffrauen mit dem Schwerpunkt Parfümerie verlassen.
In vierter Generation macht Willi Becker jun. das alteingesessene Neusser Familienunternehmen fit für die Zukunft. Alles fing 1897 an. Damals eröffnete sein Urgroßvater die „Schwanen Drogerie“an der Niederstraße; in das Stammhaus mit der Nummer 9 ist längst die Parfümerie Becker eingezogen. Der Vater des heutigen Firmenchefs, Willi Becker senior (70), begann Mitte der 1990er Jahre, das Filialnetz aufzubauen. Heute führt sein Sohn das größte private Parfümerie-Unternehmen im Rheinland.
Allein seit dem Eintritt von Becker jun. im Jahr 2010 expandierte die Kette mit Sitz im Neusser Süden um 25 Prozent und betreibt inzwischen 73 Parfümerien im Rheinland. Ein Ende ist nicht in Sicht. „Das ist unsere Strategie“, sagt der „Herr der Düfte“, „wir wollen weiter wachsen.“Dabei folge er dem Regionalprinzip und plane nicht übers Rheinland hinaus; auch lege er neue Standorte nicht auf dem Reißbrett fest, sondern er übernehme lieber eingesessene Parfümerien von Kollegen, „die zum Beispiel aus Alters- gründen aufhören und Nachfolger haben.“
Wer wachse, so Becker jun., der erziele zwangsläufig steigende Umsätze. Aber sein Unternehmen schaffe, bereinigt um die Neueröffnungen, in der bestehenden Fläche eine Verbesserung von drei Prozent im Jahresschnitt. Nicht schlecht in einem Markt, der seit zehn Jahren als gesättigt gilt. Der Inhaber führt den Erfolg auf seine „tollen Mitarbeiter“zurück. Er achte auf eine schlanke Zentral-Verwaltung und ein straff organisiertes Lager; er lege aber Wert auf eine qualitative und quantitative Beratung in den Geschäften. Er müsse, vermutet der In- keinen haber, somit höhere Personalkosten als viele Mitbewerber erwirtschaften, aber der Einsatz lohne sich. Sein Credo: „Wir verkaufen nicht über den Preis, scheuen aber auch den Preisvergleich nicht.“Mit dieser Auffassung steht der aktuelle Chef in der Tradition seiner Vorgänger. Auch sein Vater hatte schon erkannt, dass er nicht über den Preis verkaufen müsse, „weil Luxusartikel und Preiskampf sich grundsätzlich ausschließen.“Es entscheide die persönliche Ansprache: „Wenn Beraterinnen in unseren Läden vom Kunden mit Frau Becker angesprochen werden, dann wissen wir, dass wir alles richtig gemacht haben.
Damit er die Erwartungshaltung der Kunden nach persönlicher, kompetenter Beratung auch künftig bedienen kann, setzt Willi Becker jun. auf die junge Generation: „Wir suchen aufgeschlossene Menschen mit Real- oder Hauptschulabschluss.“Inzwischen haben drei von vier Mitarbeiterinnen, die Becker beschäftigt, einen so genannten Migrationshintergrund. Für den Chef ein Gewinn, denn so seien in seiner Belegschaft gute Kenntnisse in türkischer, russischer oder auch arabischer Sprache vorhanden. Becker: „Jeder Kunde ist anders. Und unsere Beraterinnen können sich darauf individuell einstellen.“