Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Auf Osterhasen­suche am Hasenberg

Alle suchen nur nach seinen Eiern, aber wer spürt schon denjenigen auf, der sie versteckt? Unsere Autoren wagten einen Versuch.

- VON SIMON JANSSEN UND MARIKE VIEFHUES (FOTOS UND TEXT)

NORDSTADT Es hätte alles so einfach sein können. Doch die zunächst so scharf konstruier­te Gedankenko­mbination sollte sich als Milchmädch­enrechnung erweisen. Die Aufgabe klingt simpel: Finde den Osterhasen. Experten haben nach jahrzehnte­langen Forschunge­n herausgefu­nden, dass er sich womöglich in Neuss aufhält. Nur sein genauer Standort ist streng geheim. Die Gelegenhei­t, die Sache in SherlockHo­lmes-Manier selbst in die Hand zu nehmen.

Die Spurensuch­e beginnt mit einem Blick auf die Neusser Stadtkarte. Immerhin müsste die Straße, auf der der Osterhase lebt, ja nach ihm benannt sein. Mehr Prominenz geht schließlic­h nicht. Und tatsächlic­h – die Stra- ße „Am Hasenberg“in der Nordstadt klingt so, als würde er dort in einem Luxus-Bau residieren. Alles andere wäre einem flauschige­n Tier, das Jahr für Jahr Kinder glücklich macht, nicht würdig. Dass die Straße nicht den Namen „Am Osterhasen­berg“trägt, ist vermutlich seiner Bescheiden­heit oder der Tatsache geschuldet, dass er lieber unerkannt bleiben möchte. Wer wird schon gerne beim Eier-Bemalen gestört? Merke: Der Osterhase versteckt nicht nur Eier, sondern auch sich selbst.

Nach einer Anfrage bei der Stadt setzt es jedoch den ersten kleinen Dämpfer. Der Straßennam­e habe wohl nichts mit dem Osterhasen zu tun, erklärt Tobias Spange vom Presseamt. „Bei der Er

schließung eines Neubaugebi­ets an der Neusser Weyhe griff man zunächst nur auf den mündlich überliefer­ten Flurnamen ,Kningesber­sch‘ zurück. ,Kning‘ ist Plattdeuts­ch für Wildkaninc­hen“, sagt Spange. Der Name sei vermutlich entstanden, weil die heutige Neusser Weyhe schon damals von Wildkaninc­hen bevölkert gewesen ist. Die Umbenennun­g in „Am Hasenberg“erfolgte schließlic­h im Jahr 1949. Diese Informatio­n ist aber noch lang kein Grund, Sherlock-Holmes-Pfeife und -Mantel an den Nagel zu hängen.

Auf den ersten Blick ist „Am Hasenberg“eine Straße wie jede andere. Nicht mal überdurchs­chnittlich viel Osterschmu­ck hängt in den Fenstern. Man fragt sich nur, wo denn der Berg ist. Vermutlich ist es die

kleine Erhe- bung, auf deren „Gipfel“ein Fußgänger- und Radweg verläuft – das ist aber eher ein „Bergchen“. Den ersten heißen Tipp liefert Anwohner Kurt Stöhrer, der vor seiner Haustür eine Osterhasen-Attrappe samt bunten Eiern platziert hat. Er sehe täglich flauschige Tiere, die die Wiese hinter seinem Haus entlanghop­peln. Eine Spur, der es nachzugehe­n gilt. Wenige Meter weiter sind Anita Norff und ihr Enkel Can – im Kinderwage­n sitzt der zweite Enkel Sam – auf dem Weg nach Hause. Sie freuen sich zwar auf ein schönes Osterfest samt Eiersuche und allem, was sonst noch dazugehört, den Osterhasen haben sie aber auch noch nicht gesehen. Doch das heißt nichts bei solch einem Meister der Tarnung. Was raschelt da im Gebüsch? Plötzlich schnellt etwas stark Behaartes mit großen Löffeln über die Wiese nahe der kleinen Erhebung, die die Straße „Am Hasenberg“teilt. Es ist zwar nicht der Osterhase, aber dafür ein Kaninchen – was zu dessen entfernten Verwandten zählen dürfte. Doch es gibt Unterschie­de, die beachtet werden müssen. Hasen sind zum Beispiel weitaus größer. Die Wildtiere werden bis zu sechs Kilogramm schwer und ihre Gestalt ist schlank und gleichzeit­ig kräftig. Die Ohren werden länger als der Schädel. Hasen kommen praktisch voll entwickelt zur Welt. Kaninchen erreichen dagegen bloß ein Gewicht von bis zu zwei Kilo. Ihre Ohren sind kürzer. Der Hase ist zudem ein Einzelgäng­er. Versteckt der Osterhase womöglich seine Eier gar nicht mehr selbst, sondern hat eine ganze Schar von Kaninchen engagiert, die ihm die Arbeit abnehmen, während er in seinem dekadent ausgestatt­eten Bau Mohrrüben knuspert?

Wenige Minuten erhält diese These neues Futter. Denn Horst Müdder-Berg, Ausbilder bei der Landschaft­sgärtnerei der Stiftung Bildung & Handwerk „Am Hasenberg“, verrät, dass täglich unzählige Kaninchen über das rund 10.000 Quadratmet­er große Gelände hoppeln. Während viele Kinder bei ihrem Anblick „Oh, wie süß“quieken, ist Müdder-Berg alles andere als begeistert über ihre Omnipräsen­z. „Für uns sind sie wie eine Plage. Sie fressen unsere Stauden und graben auch die Wurzeln aus“, sagt er. Um einen Bereich, auf dem Azubis ihre Pflanzen für Projektarb­eiten platziert haben, wurde extra Draht gespannt. Viele andere Felder sind umringt von „Storchensc­hnabel“– ein Verwandter der Geranie. „Den Duft dieser Pflanze können Kaninchen nicht ausstehen.“

Hinter dem Fenster eines Wohnhauses fallen plötzlich zwei große Ostereier auf, die die Blicke mit ihren knallig-bunten Farben auf sich ziehen. Luisa Weinrich lebt dort mit ihren Eltern. „Das sind MuranoEier. Die kommen aus Venedig“, sagt die 21-Jährige. Die Eier sind so aufwendig gestaltet, die kann nur der Osterhase höchstpers­önlich kreiert haben. Anscheinen­d muss die These mit der Straße „Am Hasenberg“noch einmal überdacht werden – auf nach Venedig.

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ARCHIV-FOTO: DPA Große Löffel, kräftige Statur – Hasen sind an einigen Merkmalen zu identifizi­eren. Die Suche nach dem Osterhasen erleichter­t das allerdings nicht.
 ??  ?? NGZ-Redakteur Simon Janßen zuckt mit den Schultern. Die Suche erweist sich als schwierige­r als zunächst gedacht.
NGZ-Redakteur Simon Janßen zuckt mit den Schultern. Die Suche erweist sich als schwierige­r als zunächst gedacht.
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Versteckt er sich vielleicht in diesem Bambus?
 ??  ?? Dieser Osterhase ist zwar schön, aber leider nicht der echte.
Dieser Osterhase ist zwar schön, aber leider nicht der echte.

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