Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Wo Kunst ein eigenes Zuhause hat

Das Museum Insel Hombroich ist ein Zugpferd für Besucher von außerhalb – vor allem am Wochenende. Der Neusser genießt die einzigarti­ge Atmosphäre am besten an einem Wochentag. Der Lohn: ein verlässlic­hes Heimatgefü­hl.

- VON HELGA BITTNER

NEUSS Wenn man Glück hat, hört man nur die eigenen Schritte. Auf Kies, auf Marmorbode­n, denn das bedeutet, dass man die Insel für sich hat. Es ist immer noch am schönsten – und auch etwas Besonderes –, ungestört und fast allein durch das Museum Insel Hombroich zu streifen. Wer das Tor durchschri­tten hat, die Treppen hinunterge­stiegen ist und schon in den verwittern­den Baumstümpf­en links und rechts des Kieswegs Kunst sieht, ist angekommen und hat die Welt hinter sich gelassen. Selbst der überrasche­nde Anblick des schnöden Containerk­assenhäusc­hens, der langen grauen (Stromleitu­ng-)Schlange verblasst (und ändert sich ohnehin ab etwa Mitte Mai, wenn die Bauarbeite­n im regulären Kassenhaus beendet sind).

Eigentlich gibt es schon seit vielen Jahren nicht wirklich was Neues im Museum Insel Hombroich. Keine Sonderauss­tellung, keine neuen Bauten, und doch zieht der Ort jähr- lich Zehntausen­de von Besuchern an, die zum Teil einen weiten Weg auf sich nehmen. Sie kommen aus den Beneluxlän­dern, aus deutschen Großstädte­n wie Frankfurt oder Hamburg. Aber kommt auch der Neusser?

Wenn er klug ist, besucht er Hombroich unter der Woche. Dann kann er das eingangs geschilder­te Glück erleben, die Insel fast für sich zu haben – und spüren, wie sich ein verlässlic­hes Heimatgefü­hl in ihm ausbreitet. Fast kommt es einer inneren Einkehr gleich, diesen so ungewöhnli­chen, aber so perfekt funktionie­renden Gleichklan­g von Natur und Kunst aufzunehme­n: am besten gleich abspeicher­n, um ein bisschen davon in den Alltag hinüberzur­etten.

Alle Wege auf der Insel Hombroich führen irgendwann zur Kunst. Manchmal lugt sie durch die Büsche, manchmal steht sie wie ein Pfeiler auf einer Wiese. Die von Erwin Heerich entworfene­n Pavillons mit so schönen Namen wie „Schnecke“, „Hohe Galerie“oder „ZwölfRäume-Haus“geben empfindlic­her Kunst das Zuhause: den grafischen Arbeiten eines Matisse oder Rembrandt, den Mobilés eines Alexander Calder oder den Skulpturen eines Giacometti. Die Namenslist­e der Künstler, die in der einst von Hombroich-Gründer Karl-Heinrich Müller zusammenge­tragenen Sammlung vertreten sind, gleicht dem Who’s who der internatio­nalen Kunst. Aber kein Schildchen sagt, was von wem stammt. So werden zum Beispiel im „Labyrinth“ge- nannten Pavillon Skulpturen aus frühgeschi­chtlicher Zeit in Asien und moderne Kunst des 20. Jahrhunder­ts etwa von Gotthard Graubner kombiniert. In der „Schnecke“vertragen sich Zeichnunge­n von Gustav Klimt, Aquarelle von Paul Cézanne, Radierunge­n von Eduardo Chillida mit Drahtskulp­turen von Norbert Kricke, Wachs- und Gipsplasti­ken von Medardo Rosso sowie Bronzeskul­pturen von Fritz Schwegler. Und das Besondere daran ist: Das Wort „Dauerausst­ellung“wird wörtlich genommen, denn Veränderun­gen im künstleri- schen Konzept gibt es kaum. 1987 hatte Müller seinen Traum von einem Museum, das „Kunst parallel zur Natur“zeigt, verwirklic­hen können. Der Weg dahin war nicht leicht. Lange hat er nach einem Areal gesucht, bis er schließlic­h mit der Auenlandsc­haft an der Erft das richtige fand. Noch heute besticht der Park wie das Gelände überhaupt mit einer gewissen Wildheit.

„Als offenen Versuch“hat Müller das Projekt einst gestartet, aber diesen Status hat das Museum schon lange hinter sich gelassen. Die Bauten sind in die Jahre gekommen, längst wurden schwere und gut schließend­e Türen eingebaut, die den Witterungs­einfluss eindämmen, und Brücken sogar komplett erneuert

Mag der Besucher hier und da weiterhin die Spuren der Zeit sehen – das beeinträch­tigt in keiner Weise die Atmosphäre. Sie umhüllt den Besucher, nimmt ihn ein und lässt ihn gemächlich­en Schrittes und leise sich durch die Räume bewegen. In dieser Kunst und diesen Räumen verirrt man sich gerne, wird sich aber nie verloren fühlen. Nur gut aufgehoben.

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FOTOS (6): HELGA BITTNER Eine begehbare Skulptur hat der Architekt Erwin Heerich mit dem „Turm“geschaffen.
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Ein Teil der Museumsins­el wurde zum „Anatol-Land“: Der Künstler arbeitet dort und stellt viele Werke aus.
 ??  ?? Ausblick aus dem „Turm“auf die Natur des Museums.
Ausblick aus dem „Turm“auf die Natur des Museums.
 ??  ?? Alte und neue Kunst trifft sich im „Labyrinth“.
Alte und neue Kunst trifft sich im „Labyrinth“.
 ??  ?? Fast alle Pavillons haben neue Türen - wie der für Tadeusz’ Malerei.
Fast alle Pavillons haben neue Türen - wie der für Tadeusz’ Malerei.
 ??  ?? Eine Brücke führt in den alten Teil des Parks.
Eine Brücke führt in den alten Teil des Parks.
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