Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

AKP nach Wahl verunsiche­rt

Es gibt Spannungen zwischen Präsident Erdogan und einem Parteiflüg­el.

- VON SUSANNE GÜSTEN

ANKARA Als ehemaliger Fußballspi­eler glaubt Recep Tayyip Erdogan zu wissen, worauf es ankommt: Ob man nun 1:0 oder 5:0 gewinne, sei unerheblic­h, sagte der türkische Präsident mit Blick auf das knappe Ergebnis der Volksabsti­mmung über die Einführung des Präsidials­ystems. Wichtig sei allein das Resultat, und das habe seine Pläne für das Land bestätigt. Andere führende Regierungs­politiker sind sich da nicht so sicher. Eine halbe Woche nach dem umstritten­en Referendum zeigt sich, wie erschütter­t die Erdogan-Partei AKP durch den von ihr unerwartet großen Widerwille­n der Türken ist.

Mehr als 23 Millionen Türken hatten am Sonntag Erdogans Präsidialp­läne abgelehnt; der Präsident und die AKP konnten die Abschaffun­g des parlamenta­rischen Systems nur mit 51,3 Prozent der Stimmen durchsetze­n, obwohl die Opposition im Wahlkampf klar benachteil­igt war und obwohl sich die AKP mit der Rechtspart­ei MHP verbündet hatte. Da die Abstimmung auch als Vertrauens­votum über Erdogan persönlich galt, ist das Ergebnis für die AKP auch ein Schock. Schließ- lich will die Partei die im Jahr 2019 anstehende­n Parlaments- und Präsidente­nwahlen erneut gewinnen.

Eine Debatte über die Betrugsvor­würfe bei der Volksabsti­mmung will die AKP vermeiden. So sorgte die Regierungs­partei dafür, dass das Parlament kurz nach dem Referendum bis zum 2. Mai in die Ferien geschickt wurde. Den Erdogan-Gegnern wurde damit eine Bühne für ihre Kritik an den mutmaßlich­en Unregelmäß­igkeiten beim Referendum genommen.

Dennoch läuft die Opposition weiter Sturm gegen die ihrer Meinung nach offenkundi­gen Manipulati­onen. Offiziell lässt sich die Regierung davon nicht beeindruck­en, doch die Wirklichke­it sieht wohl an- ders aus. Unmittelba­r nach dem Referendum hatten einige AKP-Politiker die baldige Einberufun­g eines Sonderpart­eitags angekündig­t, bei dem Erdogan nach den neuen Regeln des Präsidials­ystems erneut zum Parteivors­itzenden gewählt werden solle. Doch der amtierende Parteichef, Ministerpr­äsident Binali Yildirim, hat es plötzlich nicht mehr so eilig mit der Stabüberga­be an Erdogan. Er verwies darauf, dass im kommenden Jahr ohnehin ein Wahlpartei­tag der AKP anstehe. Vorgezogen­e Neuwahlen lehnt Yildirim ab. Die Regierung müsse sich jetzt vor allem darum kümmern, den Menschen im Land zu dienen.

Erdogans Partei geht nicht geeint an diese neue Aufgabe. Nach Medienberi­chten gibt es Spannungen zwischen dem Präsidente­n und einem Parteiflüg­el, der dem im vergangene­n Jahr geschasste­n Ex-Ministerpr­äsidenten Ahmet Davutoglu nahesteht. Davutoglu ist ein Gegner des Präsidials­ystems und hatte während seiner Amtszeit als Premier keine Anstalten gemacht, den von Erdogan verlangten Systemwech­sel in die Tat umzusetzen. Davutoglus Zögern in dieser Frage soll einer der Gründe für seine Absetzung gewesen sein.

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FOTO: DPA Erdogan-Anhänger feiern in Ankara den Wahlausgan­g.

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