Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Frischer Sauer-Stoff

Der Rharbarber ist das erste heimische Obst, das geerntet wird – streng genommen ist es ein Gemüse. Warum die Banane eine gute Partnerin für die sauren Stangen ist, erklären wir hier.

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Wenn Ulrike Coenen aus Rhabarber Kompott oder eine Grütze für einen Kuchen kocht, landet immer eine geschälte Banane mit im Topf. „Keine Sorge, die schmeckt man nicht raus“, verspricht die Kaarsterin, die mit ihrem Mann Rainer im Örtchen Driesch auch Erdbeeren, Himbeeren, Kirschen, Kartoffeln, Getreide und Blumen anbaut. „Die Banane bindet die Oxalsäure“, erklärt sie. Diese Säure macht den Rhabarber roh ungenießba­r und ist in hohen Mengen sogar giftig. Ulrike Coenen nimmt für ein Pfund immer eine Banane.

„Der Rhabarber ist im Frühjahr immer das Erste, was wir ernten“, sagt Rainer Coenen, der auf die Sorte „Holsteiner Blut“setzt. „Sie ist zwar nicht so ertragreic­h, dafür aber besonders gut im Geschmack.“Das Obst und Gemüse verkaufen die Coenens in ihrem Hofladen und haben zum Beispiel auch auf den Rheinische­n Bauernmärk­ten in Düsseldorf einen Stand. Und besonders jetzt, wo die Stangen jung sind, schmeckt Rhabarber mit am besten, denn die Schale ist noch dünn und die Oxalsäure am niedrigste­n. Am besten kombiniert man die gekochten Stangen mit Milchprodu­kten. So verbindet sich die Oxalsäure mit dem Kalzium aus der Milch und kann nicht vom Darm aufgenomme­n werden.

Jungen Rhabarber muss man nur wenig schälen, ein paar lästige Fäden zu ziehen genügt. Denn meist ist mit dem Schälen auch die schöne rote Farbe dahin. Ein Trick aus der Küche der Kaarster Familie: Das untere weißere Stück, das sogenannte „Öhrchen“, sollte man nicht abschneide­n, sondern mitkochen. „Darin stecken die meisten Inhaltssto­ffe“, betont Ulrike Coenen. Außerdem macht sie einen Kompott schön sämig und wirkt ein wenig wie Gelatine. Und das Öhrchen ist auch ein guter Frische-Indikator. Sieht es schlapp und welk aus, dann sollte man die Finger davon lassen.

Rhabarber ist eine Dauerkultu­r. Die Landwirte ernten mehrere Jahre Stangen einer Pflanze, in der Regel bis zu zehn Jahre. Rainer Coenen setzt schon früher, alle sechs bis acht Jahre, auf neue Pflanzen. Damit diese sich immer wieder erholen können, ist die Rhabarber-Zeit begrenzt: Am 24. Juni, am Johannista­g, ist wie für den Spargel Schluss. Wer auch danach noch Kompott oder leckere Kuchen essen möchte, der kann die Stangen einfrieren. Dafür werden sie nur gewaschen, grob geputzt geschnitte­n und in den Froster gesteckt. Da sie sehr viel Wasser enthalten, werden sie ein wenig matschiger. Am besten legt man sie noch gefroren auf den Teig und backt den Kuchen sofort, empfiehlt Ulrike Coenen. Auch wenn ihr Mann Anfang nächster Woche schon die ersten Erdbeeren ernten wird, hilft der Eisschrank auch bei der Rhabarber-Erdbeer-Konfitüre. Denn jetzt sind die Rhabarbers­tangen besonders zart und aromatisch, während Erdbeeren noch zu teuer für Marmelade sind.

Bei Rhabarber gibt es verschiede­ne Sorten, die sich in Aussehen und Geschmack unterschei­den und die zum Teil besondere Namen tragen wie „Rosenrhaba­rber“, „Ananasrhab­arber“oder „Himbeerrha­barber“. Die Farbe verrät viel über den Geschmack: je roter die Stangen, desto süßer schmecken sie, je grüner, desto saurer. In Deutschlan­d wird laut dem Rheinische­n Landwirtsc­haftsverba­nd auf etwa 1100 Hektar Rhabarber angebaut, 440 davon liegen in NRW. Bundesweit die wichtigste Region ist das Rheinland – vielleicht machen die sauren Stangen die Rheinlände­r ja so lustig.

Es soll Menschen geben, die Rhabarber pur essen. Das kann man machen, den meisten entgleisen aber bei dieser Vorstellun­g die Gesichtszü­ge. Früher, so erzählt Rainer Coenen, haben die Bäuerinnen damit schon eine Art Entschlack­ungskur im Frühjahr gemacht. Denn die Stangen sind sehr kalorienar­m und reich an Vitaminen und Nährstoffe­n. Wer ihren Geschmack wirklich genießen will, kommt aber ums Süßen nicht herum. „Rhabarber braucht Zucker“, betont Ulrike Coenen. Denn nur so komme sein herb-säuerliche­s Aroma zum Vorschein. Man sollte erst den kalten Kompott mit Zucker süßen, denn so lassen sich doch ein paar Kalorien noch sparen. Ulrike Coenen rechnet auf ein Pfund 200 bis 300 Gramm Zucker, das ist schon viel und sicherlich dem persönlich­en Geschmack überlassen. Ein weiterer Tipp: Immer ein wenig Vanille hinzufügen oder eine ausgekratz­te Schote mitkochen. Coenen hat schon viel mit Rhabarber experiment­iert und zum Beispiel versucht, ihn zu seinem Smoothie zu verarbeite­n. „Da man ihn aber zuvor ja kochen und abkühlen lassen muss, ist das eigentlich nicht den Aufwand wert“, sagt sie. Vor allem, weil ja das Fruchtpüre­e aus frischen Früchten gemacht werden sollte. Sie kocht lieber Kompott, Marmelade oder Sirup. So bleibt der Rhabarber länger auf dem Speiseplan.

Weil der Rhabarber streng genommen ein Gemüse ist, wird er mittlerwei­le auch häufiger pikant in Chutneys, Currys oder Saucen verkocht, die zu Schweinefl­eisch, Reis oder sogar Spargel gereicht werden. Ulrike Coenen misstraut diesen kulinarisc­hen Experiment­en und hat sich daran auch noch nicht versucht. Und das hat einen Grund. „Es gibt doch Hunderte Kuchenreze­pte mit Rhabarber“, sagt sie schmunzeln­d, „das muss doch einen tieferen Sinn haben, dass sich anscheinen­d die schmackhaf­tere Variante immer weiter verbreitet hat.“Der Kuchenfavo­rit im Hause Coenen: „Rhabarber mit Baiserhaub­e.“Süß, sauer, perfekt!

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FOTO: THINKSTOCK Je röter der Rhabarber ist, desto süßer ist er. An diesen Stangen fehlt allerdings am unteren Ende das „Öhrchen“, in dem besondere Inhaltssto­ffe stecken.

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