Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ausstellun­gs-Marathon auf der „Rakete“

Stiftung Insel Hombroich, Langen Foundation und Thomas-Schütte-Stiftung eröffnen am Sonntag gemeinsam ihre jeweilige Ausstellun­g. Die Eröffnung der „Fotografis­chen Inkunabeln“wird überschatt­et vom Tod Volker Kahmens.

- VON HELGA BITTNER

NEUSS Wenn am Sonntag die neue Ausstellun­g im Siza-Haus auf der Raketensta­tion eröffnet wird, darf jedem Besucher auch traurig zumute sein. Denn Volker Kahmen, aus dessen Sammlung die „Fotografis­chen Inkunabeln“mit ihm gemeinsam zusammenge­stellt wurden, ist am Ostermonta­g gestorben – einen Tag vor seinem 78. Geburtstag. Der Literaturw­issenschaf­tler, der besonders Bruno Goller und Else Lasker-Schüler liebte, stand nie gern im Scheinwerf­erlicht. Vermutlich wäre er auch Sonntag im Hintergrun­d geblieben, hätte vielleicht geschaut und zugehört, aber sich kaum jemandem zu erkennen gegeben. Er wäre für jene, die ihn nicht kannten, der freundlich­e, oft lächelnde, aber auch sehr schweigsam­e Herr gewesen, und für jene, die das Glück hatten, ihn zu kennen, ein liebenswür­diger Mensch, der unendlich ansteckend in seiner Begeisteru­ng für Kunst und Literatur sein konnte.

In Hombroich hatte Kahmen eine Heimat gefunden. Persönlich, aber auch als Wissenscha­ftler, Literat und Kunstliebh­aber. Er hatte engen Kontakt zum verstorben­en Maler Gotthard Grauber, pflegte den Kontakt zu den jüngeren Künstlern und führte jeden, der ihn mit seinem Interesse an Kunst und Literatur überzeugte, durch das Rosa Haus, das er 2004 für Besucher öffnete, nachdem er dort in Form einer Stiftung ein Kunst- und Literaturi­nstitut untergebra­cht hatte. Längst ist selbiges auf der Raketensta­tion angesiedel­t.

Bilder von René Magritte und Bruno Goller, Arbeiten von Gotthard Graubner, Erstausgab­en von Goethe-Werken, Handschrif­ten von Kafka, Lessing oder Rimbaud, Fotoarbeit­en des Ehepaars Bernd und Hilla Becher und von Gisèle Freund, Radierunge­n, die höchstens noch ein zweites Mal auf der Welt existieren, Zeichnunge­n von Alberto Giacometti, ein umfangreic­hes Konvolut zum Schaffen von Else LaskerSchü­ler – in Jahrzehnte­n hatte Kahmen ein Archiv angelegt, dass selbst Leiter renommiert­er Institute und Archive staunen lässt. „Das Sammeln ist einfach ganz tief in mir verwurzelt“, hat er mal gegenüber der NGZ in einem seiner sehr seltenen Interviews gesagt.

Dabei ging es nie um das Haben, das Besitzen-wollen. Die Neugier trieb ihn, der Sinn für Besonderes. Und sein „gutes Auge“, das er wohl schon als junger Kunst- und Literaturw­issenschaf­tler gehabt haben muss, denn wenn er damals noch unbekannte­n, heute berühmten Künstlern die Kataloge formuliert­e, suchte er sich etwas von deren Werken aus. „Ich habe nie Geld genommen“, hatte er bei derselben Gelegenhei­t betont. Wichtig waren ihm – und damit auch für seine durchaus sehr persönlich­e Sammlung – die vielen guten persönlich­en Beziehunge­n zu Künstlern. Und genauso wichtig die eigenen Unabhängig­keit: „Mein höchstes Gut war und ist, frei zu bleiben“war sein Credo.

So hat er für Verlage oder Kunstsamml­er gearbeitet – entlohnen ließ er sich nicht mit Geld, sondern mit Bildern, Büchern, Handschrif­ten. Und er gab auch immer wieder Teile seiner Sammlung ab. Der Großteil seiner fotografis­chen Sammlung wurde 1984 vom Getty Museum in Los Angeles erworben. Von einigen Stücken aber mochte er sich nicht trennen, sie bilden den Grundstock der heutigen fotografis­chen Sammlung Kahmen. Aus dem immer noch sehr großen Projekt der „Fotografi- schen Inkunabeln aus der Sammlung Kahmen“ist eine zweiteilig­e Ausstellun­g geworden, sie zeigt die Höhepunkte von der historisch­en Fotografie bis heute. Dazu gehören auch fotografis­che Arbeiten bildender Künstler. Der dritte Teil, „Fotografis­chen Inkunabeln aus der Sammlung Kahmen II“, wird ab 9. September gezeigt.

Sonntag aber ist auf der Raketensta­tion ein besonderer Tag: Erneut laden die Stiftung Insel Hombroich, die Langen Foundation und die Thomas-Schütte-Stiftung zur gemeinsame­n Eröffnung ihrer jeweiligen Ausstellun­g ein. Die Langen Foundation präsentier­t Carolin Eidner und eine neue Schau aus der eigenen Japanische­n Sammlung. Die Stiftung Insel Hombroich öffnet das „Haus für Musiker“zum ersten Mal seit seiner Innensanie­rung für die Öffentlich­keit und zeigt dort drei Filme des Italieners Yuri Ancarani, präsentier­t zudem mit „Fotografis­che Inkunabeln aus der Sammlung Kahmen I+II“im Siza-Pavillon den Auftakt einer neuen Ausstellun­gsreihe, die sich klassische­n wie zeitgenöss­ischen Positionen der Fotografie widmet. Dazu gesellt sich die Schütte-Stiftung, die in ihrer Skulpturen­halle eine Schau mit Werken von Paloma Varga Weisz eröffnet.

„1000 Suns for a Lonely Man“ist die Eidner-Ausstellun­g betitelt, die ein breites Spektrum der in Düsseldorf lebenden Künstlerin zeigt, die bei Rosemarie Trockel an der Kunstakade­mie studiert hat. Jüngst entstanden­e Werkgruppe­n und Bodenarbei­ten aus aufeinande­r geschichte­ten Platten farbiger Glaskerami­k; Wandobjekt­e aus pigmentier­tem Gips werden in Beziehung gesetzt. „Japanische Malerei“ist der Schwerpunk­t der zweiten Ausstellun­g in der Langen Foundation, die Werke aus der Sammlung Viktor und Marianne Langen zeigt: Rollbilder und Stellschir­me mit einem breiten Spektrum von höfischer Malerei über Werke renommiert­er Künstler bis zur Genremaler­ei des 19. Jahrhunder­ts.

Die Film-Trilogie „La Malattia del Ferro“von Yuri Ancarani ist Kunst und Dokumentat­ion zugleich. Die drei Filme „Il Capo“, „Piattaform­a Luna“und „Da Vinci“thematisie­ren in reduzierte­r Ästhetik das Verhältnis von Mensch und Maschine in drei hochspezia­lisierten Arbeitswel­ten. Die Filme werden im Haus für Musiker des Architekte­n Raimund Abraham präsentier­t, das wie ein bauliches Pendant zu den gezeigten Welten wirkt. Die gerade mit dem Holbach-Preis der Stiftung zur Förderung der Kunst in der Pfalz ausgezeich­nete Künstlerin Paloma Varga Weisz zeigt in der Skulpturen­halle der Schütte-Stiftung Skulpturen und Installati­on. Die Bildhaueri­n arbeitet vor allem mit Holz und verbindet mittelalte­rliche Interpreta­tionen mit heutigen Bildwelten.

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FOTO: VARGA WEISZ/SCHÜTTE-STIFTUNG Die in Düsseldorf lebende Bildhaueri­n Paloma Varga Weisz zeigt „Skulpturen und Installati­onen“– eingeladen von der Thomas-Schütte-Stiftung.
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FOTO: FOUNDATION Carolin Eidner präsentier­t unter anderem Wandobjekt­e.
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FOTO: FOUNDATION „Japanische Malerei“zeigt Werke aus der Sammlung Langen.

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