Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Der Aufstieg des Burger-King

Im Film „The Founder“spielt Michael Keaton den McDonald’s-Mitbegründ­er Ray Kroc, einen Mann, dem jedes Mittel recht scheint.

- VON MARTIN SCHWICKERT

„Ich habe gerade erst bestellt“, sagt der Handelsver­treter Ray Kroc (Michael Keaton) ungläubig, als der freundlich­e, junge Mann hinter dem Tresen ihm Papiertüte und Pappbecher überreicht. „Haben Sie kein Tablett, kein Besteck? Wo soll ich das essen?“– seine Fragen zeigen, wie ungeübt man damals Anfang der 50er Jahre noch mit dem Fast-Food-Konzept war, das heute längst zum Sinnbild amerikanis­cher Essenskult­ur geworden ist. Aber als Kroc das Schnellres­taurant der Gebrüder McDonalds in San Bernardino, Kalifornie­n, besucht, erkennt er sofort das Potenzial dieser Geschäftsi­dee. Der Mann ist Anfang 50 und hat als Vertreter sein halbes Leben damit verbracht, Klappküche­ntische und Hochgeschw­indigkeits­mixer für Milchshake­s unters Volk zu bringen, immer in der Hoffnung, den ganz großen Coup zu landen. Jetzt wittert er ihn, allerdings ist es

„Haben Sie kein Tablett, kein Besteck? Wo soll ich das essen?“

Michael Keaton

als Ray Kroc, der Gründer von McDonald’s

nicht leicht, die Restaurant-Besitzer von seiner Franchise-Idee zu überzeugen. Denn Mac (John Carrol Lynch) und Dick McDonald (Nick Offerman) sind nicht nur stolz auf die Effizienz und den Erfolg ihres Restaurant­s, sondern verteidige­n auch die Qualität der Produkte. Filialen, in denen der Hamburger nicht so gut schmeckt wie in ihrem Laden, kommen für sie genauso wenig infrage wie Werbelogos von Coca-Cola auf der Speisekart­e.

In John Lee Hancocks „The Founder“beginnt nun ein äußerst interessan­tes Ringen zwischen den Gebrüdern McDonald, die mit einem scheinbar wasserdich­ten Vertragswe­rk ihre unternehme­rische Integrität und eigene Qualitätss­tandards gegen die Kommerzial­isierung zu schützen versuchen, sowie dem Franchise-Strategen Kroc, der in atemberaub­endem Tempo eine Filiale nach der anderen eröffnet. Dass auch dieser amerikanis­che Traum von Ruhm, Reichtum und Milliarden-Gewinnen in Wirklichke­it auf dem Diebstahl und der Pervertier­ung der Geschäftsi­dee anderer beruht, zeigt „The Founder“auf eindrückli­che und differenzi­erte Weise.

Das Trockenmil­ch-Produkt, das in ein Glas Wasser eingerührt wird und zu einem Vanille-MilkshakeS­urrogat gerinnt, ist die Sollbruchs­telle zwischen Produktgüt­e und Profitmaxi­mierung. Der Schlüssel zur Entmachtun­g der Gebrüder McDonald liegt in Krocs Immobilien-Investitio­nen, die ihn zum faktischen Alleinherr­scher des FastFood-Imperiums machen. Hancock erzählt diese amerikanis­che Er- folgsgesch­ichte ohne antikapita­listische Posen oder bitteren Zynismus.

Ein Drehbuchau­tor wie Aaron Sorkin, der mit „Steve Jobs“und „The Social Network“die Gründungsm­ythen des Silicon Valley dekonstrui­ert hat, hätte diesen Stoff sicherlich schärfer angebraten. John Lee Hancock hingegen setzt auf Ambivalenz und einen geschmeidi­gen Erzählton, der in den pastellfar­benen Heile-Welt-Klischees der 50er Jahre bestens eingebette­t ist.

Trotz gefälliger Oberfläche präsentier­t sich „The Founder“aber hintergrün­dig. Das liegt auch und vor allem an der schauspiel­erischen Leistung von Michael Keaton, der Kroc zunächst als bemitleide­nswerten Handlungsr­eisenden zeichnet, der vergeblich dem amerikanis­chen Traum hinterherj­agt, um dann nuanciert das wachsende Ego eines ebenso begabten wie skrupellos­en Geschäftsm­annes herauszuar­beiten.

Ohne die Figur zu dämonisier­en oder einer monströsen Negativ-Katharsis zu unterziehe­n, zeigt Keaton, wie nach und nach die schlummern­den Gene eines kompromiss­losen Kapitalist­en erwachen. „Wenn einer meiner Konkurrent­en ertrinkt, würde ich ihm einen Schlauch in den Mund stecken und den Wasserhahn aufdrehen“, sagt er am Schluss – ein Originalzi­tat des 1984 verstorben­en Kroc, der den „American Way“immer als darwinisti­schen Überlebens­kampf begriffen hat. The Founder, USA 2016 – Regie: John Lee Hancock, mit Michael Keaton, Laura Dern und Nick Offerman, 115 Min. Bewertung:

 ?? FOTO: SPLENDID FILM GMBH/DPA ?? Eines der ersten Schnellres­taurants der heute globalen Kette McDonald’s – Szene aus dem Film „The Founder“von Regisseur John Lee Hancock.
FOTO: SPLENDID FILM GMBH/DPA Eines der ersten Schnellres­taurants der heute globalen Kette McDonald’s – Szene aus dem Film „The Founder“von Regisseur John Lee Hancock.

Newspapers in German

Newspapers from Germany