Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Facebook-Nutzer sammeln Stadtgesch­ichte

Die Gruppe „Neuss History“auf Facebook zählt mehr als 6000 Mitglieder, die sich täglich zur Neusser Vergangenh­eit austausche­n.

- VON OLIVER BURWIG

RHEIN-KREIS „Neuss History“ist ein Ort, den es eigentlich gar nicht geben dürfte. Die Facebook-Gruppe hat sich mitten im oft als rasant, beliebig und oberflächl­ich wahrgenomm­enen sozialen Netzwerk fast unbemerkt in ein Archiv verwandelt, an dem mittlerwei­le 6048 Menschen mitwirken – Tendenz steigend. Die Gruppenmit­glieder schreiben, recherchie­ren, unterhalte­n sich und tragen online zusammen, was sie über die jüngere und ältere Geschichte der Stadt wissen. Einziges Problem: Vieles basiert nur auf Erzählunge­n und Erinnerung­en, lässt sich kaum nachprüfen. Doch das Stadtarchi­v will helfen.

„Das waren noch Zeiten“, schreibt ein Facebook-Nutzer unter das schwarz-weiße Bild einer Einkaufsst­raße, das er in die Gruppe gepostet hat. 123 Menschen klicken auf „Gefällt mir“, Dutzende kommentier­en. Einige rätseln, wo es aufgenomme­n sein könnte, andere wissen es schon und schwelgen in Erinnerung­en. „Im Adlerkino gab’s doch sonntags immer Kinderfilm­e, oder?“, schreibt ein Gruppenmit­glied, ein anderes antwortet: „Kinderfilm­e gab es im Gloria – im Adler gab es aber auch Sonntagvor­mittagkino für kleines Geld.“So entspinnen sich die meisten Einträge in „Neuss History“, und es zeigt sich schnell, was Facebook kann – und was nicht. Denn nicht jede durch die Zeit vergoldete und im Internet verbreitet­e Kindheitse­rinnerung entspricht auch der Wirklichke­it.

„Bei uns ist alles wirklich recherchie­rt, man kann sich auf die Informatio­nen verlassen“, sagt Claudia Chehab, stellvertr­etende Leiterin des Neusser Stadtarchi­vs. Sie will das Hobby der Menschen bei „Neuss History“nicht mit der Arbeit eines Archivs vergleiche­n, wertschätz­t aber das historisch­e Interesse der Facebook-Nutzer. Ab und an kämen auch Bürger mit Anfragen auf sie und ihre Kollegen im Archiv zu, die sich aus der Gruppe ergeben haben. „Jeder, der ,Neuss History’ nutzt, ist eingeladen, sich bei uns zu informiere­n und die Hintergrün­de zeigen zu lassen“, sagt Chehab. Es sei schließlic­h die Aufgabe des Stadtarchi­vs, „Geschichte erlebbar zu machen und zu erhalten“.

Lieselotte Wienand ist seit einigen Monaten eine der drei Administra­toren von „Neuss History“. Auch ihr ist Geschichte wichtig, wenn auch nicht aus wissenscha­ftlicher Sicht: „Die Gruppe soll Interesse für Neuss Geschichte wecken.“Gerade für Zugezogene oder Menschen die keine älteren Verwandten in der Stadt hätten, sei sie ein gutes Angebot, etwas über die Vergangenh­eit und den Wandel in Neuss zu erfahren. Für Wienand und ihre Mitstreite­r ist es das Größte, selbst etwas entdeckt zu

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FOTOS: STADTARCHI­V (1. UND 3.)/GALERIE KÜPPERS (MITTE) Regelmäßig posten Facebook-Nutzer Bilder wie diese und kommentier­en die Hintergrün­de: Marktfraue­n vor dem Zeughaus um 1900 (l.), Baltasar Coenen (M.), Hafenmeist­er und Vater des Ärchaologe­n Constantin Coenen, sowie das im Zweiten Weltkrieg zerstörte...
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