Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Als Ehrenamtle­r Zeit und Energie nutzen

Reinhard Sitzler führt seit 18 Jahren ehrenamtli­ch Besucher durch das Museum Tuppenhof. Nach seiner Pensionier­ung r tauchte der Ingenieur in den bäuerliche­n Alltag des 19. Jahrhunder­ts ein. Das Museum sucht mehr Menschen wie ihn.

- VON ELISABETH KELDENICH

VORST Reinhard Sitzler (84) ist ein Urgestein des Tuppenhofs. 1999 wurde der Vierkantho­f aus dem 19. Jahrhunder­t zu Museum und Begegnungs­stätte für bäuerliche Geschichte und Kultur – und seitdem ist Sitzler dort als Museumsfüh­rer aktiv. „Ich war damals schon in Rente und wollte meine Zeit und Energie sinnvoll nutzen“, erinnert er sich. „Als Ingenieur für Forschung und Entwicklun­g verlief mein berufliche­s Leben eher kopfgesteu­ert. Ein Museumsfüh­rer in einer bäuerliche­n Welt bildete dazu den totalen Gegensatz“, erzählt er. In einem Seminar sei er für seine Aufgabe fit gemacht worden. „Ich erfuhr alles über die Geschichte und Entstehung des Tuppenhofs in zehn Bauabschni­tten und über die wirtschaft­liche Basis, die er der Erwerbsfam­ilie bot“, so Sitzler.

Seine Führungen dauern mindestens eine Stunde, „wenn man mich lässt, auch gern anderthalb oder zwei“, gibt er schmunzeln­d zu. Auch den Bauerngart­en bezieht er mit ein. „Mir ist wichtig, dass sich die Leute wohlfühlen. Ein Dozent möchte ich nicht sein“, erklärt Sitzler. Getreu dem Motto „Was weißt du und wie wenig wissen die anderen“hält er seine Vorträge frei, wodurch sich oft ein Gespräch mit den Interessie­rten ergibt. Das ist ihm wichtig, denn schließlic­h sei der Tuppenhof kein gewöhnlich­es Museum, sondern eine Begegnungs- stätte, betont Sitzler: „Man kann mit den Leuten reden!“Fachwissen sei vonnöten, aber ein mit Anekdoten gespickter Vortrag fessele nach seinen Erfahrunge­n die Zuhörer immer ungemein.

Besonders beliebt sei die Geschichte einer an Viehseuche erkrankten Kuh. Deren in einer Grube versenktes Skelett rufe bei der Besichtigu­ng gleichwohl Ekel wie Faszinatio­n hervor. Verblüffen­d sei die Reaktion einer Besucherin auf den Hinweis eines um 1800 üblichen Ehevertrag­es gewesen, der der Witwe einen Platz am Feuer und einen Fuder Flachs zusicherte. „So positiv hätte mein Mann das nie gesehen“, war ihr spontaner Ausruf. Ehrenamtle­r Sitzler hilft auch an den Wochenende­n bei der Ausgabe von Kaffee und Kuchen, denn schließlic­h sei der Tuppenhof etwas für „Leib, Seele und Verstand“, so seine Zusammenfa­ssung. Die ehrenamtli­che Tätigkeit befriedige ihn sehr und es gebe gute private Kontakte mit seinen sieben ‚Kollegen‘. „Wir sind wie eine große Familie und alle per du. Eine ‚Rangordnun­g‘ haben wir nicht“, erklärt Sitzler. Ein Mal im Jahr gibt es als Dankeschön einen Ausflug zu einem anderen Museum plus Umtrunk und ein Grillfest auf dem Hof. Die Einsätze der Museumsfüh­rer erfolgen nach einem Plan, so dass immer zwei Ansprechpa­rtner für geplante und spontane Besichtigu­ngen bereit stehen.

„Da das Durchschni­ttsalter jenseits der sechzig ist, suchen wir jetzt dringend Interessie­rte“, sagt Jürgen Rau, Geschäftsf­ührer des Tuppenhofs. Reinhard Sitzler will jedenfalls so lange als Museumsfüh­rer aktiv bleiben, „wie der da oben das zulässt“, sagt er mit Blick zum Himmel.

 ?? NGZ-FOTO: ANJA TINTER ?? Der 84-jährige Reinhard Sitzler ist seit 1999 ehrenamtli­ch auf dem Tuppenhof tätig. Als Museumsfüh­rer bringt er den Besuchern das Leben im 19. Jahrhunder­t näher.
NGZ-FOTO: ANJA TINTER Der 84-jährige Reinhard Sitzler ist seit 1999 ehrenamtli­ch auf dem Tuppenhof tätig. Als Museumsfüh­rer bringt er den Besuchern das Leben im 19. Jahrhunder­t näher.

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