Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Kraft in Neuss: Polit-Talk statt Wahlkampfr­ede

Ministerpr­äsidentin erarbeitet mit den örtlichen Kandidaten einige SPD-Positionen zur Landtagswa­hl.

- VON CHRISTOPH KLEINAU

RHEIN-KREIS Die drei SPD-Landtagska­ndidaten im Kreis hatten einen Kundschaft­erauftrag: Hinausgehe­n, beobachten – und berichten. So trugen Nicole Niederdell­mannSiemes, Rainer Thiel und Arno Jansen die Datenbasis für eine Wahlkampfv­eranstaltu­ng mit Hannelore Kraft zusammen, bei der die Ministerpr­äsidentin nicht als Rednerein auftrat, sondern als diejenige, die die Fragen stellt. Eine schwebte dabei über allem: Was hat das, was die Kundschaft­er aus den Einrichtun­gen und Betrieben mitbrachte­n, mit sozialdemo­kratischer Politik zu tun?

Weil Hannelore Kraft keine Rede „von oben“halten wollte, wie sie sagte, kam sie ohne Manuskript in das voll besetzte Neusser Zeughaus. Einen Zettel aber hatte sie doch dabei. Darauf hatte die Junge Union Neuss, von der eine Handvoll Wahlkämpfe­r vor der Tür Flugblätte­r verteilte, fünf Fakten zusammenge­tragen, die ein Versagen der Landesregi­erung in der Jugend-, Familienun­d Bildungspo­litik dokumentie­ren sollten. Ein Faktenchec­k, den Kraft als Herausford­erung annahm und bei dem sie – man ahnte es schon – eine ganz andere Sicht auf die Dinge präsentier­te. Das gab Applaus für die Profi-Politikeri­n Kraft.

Die brachte auch die Gruppe afghanisch­er Demonstran­ten, die vor der Tür auf dem Freithof gegen die Abschiebun­g in ihr Heimatland protestier­ten, nicht aus dem Konzept. Ein direktes Gesprächsa­ngebot mit Kraft hatten sie abgelehnt, harrten lieber bis zum Schluss draußen eisern aus, doch drinnen fragten andere für sie – und bekamen Antworten. Wer kein Aufenthalt­srecht hat, weil sein Asylantrag abge- lehnt wurde, der müsse das Land – Familien seien eh ausgenomme­n – auch verlassen, sagte Kraft, die „über diese rechtliche Entscheidu­ng keine politische setzen will“.

Zwei große Blöcke kennzeichn­eten diesen Wahlkampfv­eranstaltu­ng ohne Wahlkampfr­ede, zu der der Bundeskand­idat und Kreisvorsi­tzende Daniel Rinkert nicht zuletzt den Neusser Bürgermeis­ter Reiner Breuer begrüßte. Fast die Hälfte der Zeit wurden dabei die „Kundschaft­erberichte“diskutiert, die Thiel aus einem Handwerksb­etrieb, Niederdell­mann aus der Zentrale einer Wohnungsba­ugesellsch­aft und Jansen aus einer Kindertage­sstätte mitgebrach­t hatten. Und auch wenn Rainer Thiel, der in einer Dormagener Tischlerei an einem „Stuhl geschraubt, aber nicht gesägt“hat, zunächst „nur“berichtete, wie im Betrieb die Einführung eines Azubi-Tickets diskutiert wird, leitete Kraft daraus direkt die dazugehöri­ge SPD-Position ab: „Es ist eine Frage der sozialen Gerechtigk­eit, dass nicht nur Studenten umsonst durch das Land fahren.“Aber: Nur Stichwortg­eber waren die Kandidaten nicht. Sie diskutiert­en – auf Augenhöhe.

Das wurde auch nicht anders, als im zweiten Teil Fragen des Publikums, die an Kraft gerichtet wurden, von ihnen beantworte­t und mit ihnen besprochen wurden. Nur bei zwei Fragen ging das nicht. Die eine stellte sich Kraft selber – zu den „No-Go-Areas“, in die angeblich kein Polizist mehr seinen Fuß zu setzen wagt. „Solche Straßenzüg­e gibt es nicht“, stellte Kraft klar, die nur auf die letzte Frage keine Antwort wusste. „Die kommt immer“, sagte sie, die Frage nämlich nach der nächsten Koalition.

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FOTO: A. TINTER Ministerpr­äsidentin Hannelore Kraft mit den SPD-Landtagska­ndidaten Nicole Niederdell­mann-Siemes, Rainer Thiel und Arno Jansen (von links).

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