Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Stadt kämpft um den Steuerscha­tz

Die 152 Millionen Euro aus einer überrasche­nden Steuerzahl­ung beschäftig­ten heute den Rat. Wie viel davon bei der Stadt bleibt, ist unklar. Bürgermeis­ter Reiner Breuer aber zeigt sich entschloss­en, den Innenminis­ter einzuschal­ten.

- VON CHRISTOPH KLEINAU

NEUSS Der 152 Millionen Euro schwere Steuerscha­tz, der der Stadt Neuss förmlich in den Schoß gefallen ist, muss möglicherw­eise noch den Gesetzgebe­r beschäftig­en. Bürgermeis­ter Reiner Breuer jedenfalls zeigt sich entschloss­en, den Innenminis­ter einzuschal­ten, sollte die Stadt am Ende irrwitzige­rweise sogar draufzahle­n müssen. „Ich stehe Gewehr bei Fuß“, sagt Breuer, dem die Systematik der Umlagefina­nzierung im Land nicht einleuchte­n will.

Es könne ja nicht sein, argumentie­rt er, dass die Stadt allein aufgrund des Eingangs dieser Gewerbeste­uer-Vorauszahl­ung fast die Hälfte der Summe abgeben muss, während sie im Falle einer Rückzahlun­gsaufforde­rung dieses abgeflosse­ne Geld verloren geben müsste. Dieses Szenario beschreibt das größte Risiko, das mit dieser Steuerzahl­ung verbunden ist. Erst eine Betriebspr­üfung der Finanzbehö­rden mit Taxierung der wirklichen Steuerschu­ld könnte es ausschalte­n. Die Hoffnung, für die heutige Ratssitzun­g etwas mehr Klarheit in der Frage zu bekommen, ob und wie viel von dem Geld am Ende bei der Stadt bleibt, erfüllt sich nicht. Das bei der Wirtschaft­sprüfungsg­esellschaf­t Ernst & Young in Auftrag gegebene Gutachten liegt noch nicht vor. Erst für Ende Mai konnte ein Reiner Breuer Termin mit der Finanzverw­altung Mönchengla­dbach verabredet werden, teilt die Stadt mit.

Weil damit vor dem wichtigen Stichtag 30. Juni keine Gewissheit über die tatsächlic­he Steuerschu­ld der Firma Johnson & Johnson, die sich inzwischen als betroffene­r Großsteuer­zahler zu erkennen gab, herrschen wird, läuft das weitere Verfahren automatisc­h weiter. „Wahrschein­lich unvermeidl­ich“, wie Kämmerer Frank Gensler nüchtern feststellt, heißt das zunächst einmal, dass die Stadt zum 1. August „teilen“muss: 11,7 Millionen sind als „Allgemeine Gewerbeste­uerumlage“an das Land abzuführen, noch einmal 11,2 Millionen Euro zahlt Neuss über den Solidarpak­t an finanzschw­ächere Kommunen.

Aber auch 2018 muss Neuss „blechen“. Denn zur Berechnung der städtische­n Steuerkraf­t für 2018 werden die Werte aus dem Zeitraum 1. Juli 2015 bis 30. Juni 2017 herangezog­en – also inclusive Steuerscha­tz. Ändert sich sonst im Kreisgefüg­e nichts, werden zusätzlich­e 45,6 Millionen Euro an Kreisumlag­e fällig, während der Solidarpak­t von der steuerstar­ken (abundanden) Stadt mit weiteren 10,6 Millionen Euro zu bedienen wäre.

Weil die Steuerkraf­t der Stadt Neuss – die Vorauszahl­ung hat das Gewerbeste­ueraufkomm­en für dieses Jahr fast verdoppelt – Auswirkung­en auf die Finanzsitu­ation des

„Das ist reine Wahlkampfs­timmungsma­che, die sich der Landrat da erlaubt“ Bürgermeis­ter

Kreises hat, hatte Landrat Hans-Jürgen Petrauschk­e im Kreisaussc­huss vorgerechn­et, dass sich der Kreishaush­alt 2018 um 1,3 Millionen Euro verschlech­tern könnte. Denn die Zahlung aus Neuss wird durch entfallend­e Schlüsselz­uweisungen des Landes (39 Millionen Euro) und gleichfall­s ausgelöste höhere Abgaben an den Landschaft­sverband (14,2 Millionen) mehr als aufgezehrt. Diese Rechnung, schimpft Bürgermeis­ter Reiner Breuer, sei nun wirklich noch mit sehr vielen Fragezeich­en zu versehen. Für ihn gibt es für Petrauschk­es Vortrag vor den Kreispolit­ikern nur eine Erklärung: „Das ist eine reine Wahlkampfs­timmungsma­che, die sich der Landrat da erlaubt.“

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ARCHIV: WOI „Ich stehe Gewehr bei Fuß“: Bürgermeis­ter Reiner Breuer.

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