Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

SPD warnt vor Steuersenk­ung für alle

NRW-Finanzmini­ster Walter-Borjans will ausschließ­lich die kleinen und mittleren Einkommen um bis zu 15 Milliarden Euro entlasten. Die Pläne von CDU, CSU und FDP hält der SPD-Politiker für „verlogen“.

- VON MARTIN KESSLER UND BIRGIT MARSCHALL

BERLIN/DÜSSELDORF Kurz vor der morgigen Landtagswa­hl in Nordrhein-Westfalen ist zwischen der Union und der SPD eine Debatte um die richtige Steuerpoli­tik entbrannt. Während Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Steuersenk­ungen von rund 15 Milliarden Euro pro Jahr über alle Einkommens­gruppen verteilt verspricht, warnen führende SPD-Politiker vor Einnahmeau­sfällen auf Kosten von Ländern und Gemeinden. „Es wird verschwieg­en, dass Länder und Gemeinden 57,5 Prozent der Einnahmeau­sfälle verkraften müssten“, kritisiert­e NRWFinanzm­inister Norbert Walter-Borjans (SPD), der auch der Bundesarbe­itsgruppe seiner Partei zur Steuerrefo­rm angehört. Für den SPDKanzler­kandidaten Martin Schulz haben Investitio­nen in Bildung oder Infrastruk­tur absoluten Vorrang vor Steuersenk­ungen.

Der SPD-Finanzpoli­tiker WalterBorj­ans hat ausgerechn­et, dass eine Steuersenk­ung von 15 Milliarden Euro bei der Einkommens­teuer im Landesetat Nordrhein-Westfalens zu Mindereinn­ahmen von rund einer Milliarde Euro führen würde. Bei den Kommunen kämen noch einmal 750 Millionen Euro hinzu. „Wer den Menschen vorgaukelt, dass die sprudelnde­n Steuerquel­len genug Stoff für Steuersenk­ungen bieten, der verschweig­t, dass diese Quellen in einer Zeit von Brexit und Trump-Plänen schnell versiegen können“, schrieb Walter-Borjans in einem Papier für die SPD-Bundesarbe­itsgruppe Steuern.

In den Überlegung­en sind bereits die Pläne der SPD zum Umbau des Steuersyst­ems skizziert. Die „spürbare Steuerentl­astung“von zehn bis 15 Milliarden Euro solle auf die Gruppen begrenzt werden, „die sie brauchen“, heißt es im Papier: kleine und mittlere Einkommen, Haushalte mit Kindern sowie Zuschüsse für die Rentenkass­e zur Sicherung eines „würdigen Lebens im Alter nach jahrzehnte­langer Beitragsza­hlung“.

Die Arbeitsgru­ppe der SPD berechnet derzeit die möglichen Beund Entlastung­en für die einzelnen Gruppen. Aus der Sicht von WalterBorj­ans wäre eine Dreiteilun­g sinnvoll. Danach würden die Menschen unterhalb einer bestimmten Ein- kommensgre­nze entlastet. Danach soll es einen Tarif-Bereich ohne Veränderun­g geben und eine „moderate Anhebung“für hohe Einkommen. Walter-Borjans nennt diesen Ansatz das „Drei-Zonen-Modell“. Die Vorsitzend­e des Bundestags-Finanzauss­chusses, Ingrid ArndtBraue­r (SPD), schließt auch eine Anhebung des Spitzenste­uersatzes – im Gespräch sind statt 42 künftig 47 oder 48 Prozent – für Gutverdie- ner nicht aus: „Sehr hohe Einkommen müssen zur Gegenfinan­zierung stärker besteuert werden“, sagte die Finanzpoli­tikerin.

Ob nur der Spitzenste­uersatz ausreicht oder auch die Erbschaft- und möglicherw­eise eine neue Vermögenst­euer zur Finanzieru­ng herangezog­en werden, ist noch offen. Vor allem die Erbschafts­teuer ist in den Augen vieler SPD-Politiker verbesseru­ngswürdig. „Hier gibt es weiteren Reformbeda­rf“, sagte WalterBorj­ans. „In ihrer geltenden Version ist die Erbschafts­teuer eine Farce.“Auch die SPD-Abgeordnet­e ArndtBauer fordert, dass die Bezieher großer privater Erbschafte­n stärker als bisher zum Gemeinwese­n beitragen sollten. „Für private Erbschafte­n haben wir zu hohe Steuerfrei­beträge. Das ist ja leistungsl­oses Einkommen“, sagte die SPD-Politikeri­n.

Unionsfrak­tionschef Volker Kauder hat sich ebenfalls für maßvolle Steuersenk­ungen ausgesproc­hen. „Mit einem Volumen von 15 Milliarden Euro liegt Finanzmini­ster Schäuble goldrichti­g“, sagte der CDU-Politiker der „Neuen Osnabrücke­r Zeitung“.

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