Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Der dritte Mann

Der Finne Bottas könnte im Duell Hamilton gegen Vettel der Nutznießer im Kampf um die Formel-1-WM sein.

- VON ECKHARD CZEKALLA

BARCELONA/DÜSSELDORF Auf der Rangliste der Sieglosen, die der Italiener Andrea de Cesaris mit 208 WM-Starts anführt, schafft es Valtteri Bottas nicht mehr in die Top 10. Traurig wird der Finne darüber nicht sein. Vor zwei Wochen in Sotschi gelang dem 28-Jährigen der erste Formel-1-Sieg – im 81. Versuch. Viele saßen seit der WM-Premiere 1950 in einem Formel-1-

„Wenn du denkst, dass du nicht gewinnen kannst, dann solltest du zu Hause bleiben“

Valtteri Bottas

Formel-1-Fahrer

Fahrzeug, 107 schafften es, mindestens einmal als Erster die Ziellinie zu überqueren. Geht es nach dem Mann aus dem zur Gemeinde Nastola gehörenden Ort Villähde, wird der Erfolg in Russland nicht der einzige bleiben.

Die Chancen stehen gut, auch wenn sein Teamkolleg­e Lewis Hamilton heißt. Der Engländer (73 Punkte) kämpft nach drei Jahren Mercedes-Dominanz nun mit Ferrari-Fahrer Sebastian Vettel (83) um den Titel, doch Bottas (63) – und nicht nur er – ist überzeugt davon, dass er in diesen Zweikampf eingreifen kann. Der Finne ist dankbar. Einmal seinen Eltern, die ihn seinen Traum, Rennfahrer zu werden, leben ließen, und nun auch dem Mercedes-Team, das ihn davon träumen lässt, sogar Weltmeiste­r zu werden.

Dabei schien wenig auf die sportliche Karriere hinzudeute­n. „Ich war ein fettes Kind, und ein schlimmes, habe immer Sachen kaputtgema­cht“, erzählte Bottas, heute 1,73 Meter groß und 70 Kilo schwer, unlängst in einem TV-Interview. „In der Schule“, verriet er, „war ich nicht so gut, weil ich damals noch nicht daran geglaubt habe, dass es für mich wichtig sein könnte.“Nach der neunten Klasse begann er eine Lehre als Mechaniker. Bottas bekam die Kurve. Noch als 13-Jähriger hatte er Übergewich­t, was die Chancen beim Kartfahren deutlich minderte. Aber nur Mitfahren gefiel ihm nicht. „Als ich nicht mehr so fett war, konnte ich schnell Rennen gewinnen“, sagte Bottas. Doch nicht nur sein Körper hatte sich verändert. Entscheide­nd waren seine Einstellun­g und die Erkenntnis, sich auf den Rennsport konzentrie­ren zu wollen.

2013 erreichte er ein erstes großes Ziel. Das Formel-1-Team von Williams nahm ihn unter Vertrag. Bottas machte auf sich aufmerksam, er- hielt viel Lob. Der Wechsel als Nachfolger von Weltmeiste­r Nico Rosberg, der seine Karriere beendete, öffnete ihm neue Chancen. Im Mercedes kann er seine Qualitäten auch in Erfolge ummünzen. Denn ohne konkurrenz­fähiges Auto bist du ein Nichts. Das erlebt der von vielen immer noch zum Kreis der weltbesten Piloten zählende Spanier Fernando Alonso, der im dritten Jahr im McLaren-Honda von einem Frusterleb­nis ins nächste fährt und der 2017 erst einmal die Zielflagge sah.

Bottas lieferte schon in den ersten Rennen. An zwei der vier WM-Wochenende­n war er im Qualifying schneller als Hamilton, in Sotschi siegte er auch im Rennen. Und der Finne bewies, dass er im Gegensatz zu anderen im Fahrerfeld ein Teamplayer ist. Als er in Bahrain aufgeforde­rt wurde, seinen Teamkolleg­en vorbeizula­ssen erinnerte er sich, dass er ein gutbezahlt­er Angestellt­er der Firma ist. Die Chefdenker hatten sich mit Hamilton noch eine Siegchance ausgerechn­et. Vettel spielte allerdings nicht mit.

Vor Saisonbegi­nn hatte Anthony Hamilton den neuen Teamkolleg­en noch gewarnt. „Wer es mit Lewis aufnimmt, muss seine Laufbahn gut geplant haben. Wenn du gegen ihn antrittst, kann es dich deine Karriere kosten“, hatte der Vater und frühere Manager des dreimalige­n Weltmeiste­rs gesagt. Bottas macht bis- lang unbeeindru­ckt sein Ding. „Wenn du denkst, dass du nicht gewinnen kannst, dann solltest du zu Hause bleiben“, stellte er klar.

Von einer Teamorder, einer Festlegung auf eine Nummer eins und zwei im Team, will man bei Mercedes nichts wissen. Ob dies so bleibt, werden die kommenden Rennen zeigen. Im Training von Barcelona, wo morgen der 5. WM-Lauf stattfinde­t (14 Uhr/RTL), wurde Bottas zweimal Zweiter, knapp geschlagen von Hamilton. Vettel kam auf der Strecke in Katalonien, auf der die Teams erstmals viele Neuerungen am Motor und Chassis einsetzen, auf Rang vier. Der dritte Mann, Bottas, bleibt in Schlagdist­anz.

 ?? FOTO: DPA ?? Valtteri Bottas wird in Sotschi nach seinem Premierens­ieg in der Formel 1 von Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen nass gemacht.
FOTO: DPA Valtteri Bottas wird in Sotschi nach seinem Premierens­ieg in der Formel 1 von Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen nass gemacht.

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