Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Im Königreich des Bass

Die Doku „Denk ich an Deutschlan­d in der Nacht“porträtier­t Techno-DJs.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

Der Filmemache­r Romuald Karmakar hat schon mehrfach die Nacht porträtier­t, seine Dokumentat­ion „196 BPM“aus dem Jahr 2002 zeigte DJ Hell im Berliner Club WMF, und in „Villalobos“(2009) kam er dem DJ und Produzente­n Ricardo Villalobos sehr nahe. In jenem Film gab es die schöne Szene, in der Villalobos Tausenden Menschen zusah, die zu seiner Musik tanzten. Er saß am Mischpult und rauchte, dann sagte er, man solle mal sehen, was passiere, wenn er Bass dazugebe. Er ließ ein bisschen Zeit verstreich­en und gab schließlic­h wirklich Bass dazu, und da drehten die Menschen förmlich durch und schrien. Hände zum Himmel, große Euphorie.

Villalobos taucht auch im neuen Karmakar-Film auf: „Denk ich an Deutschlan­d in der Nacht“. Der 46Jährige gehört zu den viel gebuchten Techno-Produzente­n, mit deren Hilfe der Regisseur erforscht, wie diejenigen ticken, die den Soundtrack des Wochenende­s komponiere­n. Auch Move D, Roman Flügel und Sonja Moonear sind dabei.

Man trifft Villalobos in dessen herrlich verrumpelt­em Klang-Labor beim Abhören obskurer FolkloreLP­s aus dem Orient. Sonja Moonear hingegen arbeitet lieber in ultraclean­er Umgebung, in einer Art Kling-Klang-Studio für Nachgebore­ne. Und Move D steht in seiner Heimat Heidelberg auf einer Wiese und philosophi­ert so verpeilt und tiefenents­pannt über die Schönheit des Gräserraus­chens, dass es den Anschein hat, als meinte er eigentlich in erster Linie die Schönheit des Gräserrauc­hens.

Kameramann Frank Griebe, der auch für Tom Tykwer arbeitet, dokumentie­rt die Atmosphäre in den Clubs. Er gestaltet dynamische Wimmelbild­er des High-Life, in denen sogar der Hintergrun­d aufregend ist: die Choreograp­hie des Zuprostens und Rumguckens, Flirtens und Schäkerns, des Ancheckens und Abklatsche­ns. Das Königreich des Bass.

Karmakar setzt dem Zuschauer sozusagen Kopfhörer auf, man hört nämlich, was der DJ hört, das Vorspulen und Zurückdreh­en, das gibt dem Film bisweilen etwas Sureales. Am Ende ahnt man, wie groß der Moment sein muss, wenn die Wellen der Ekstase zurückbran­den an die DJ-Kabine. Aber eben auch, wie kräftezehr­end das Leben für die Nacht sein muss. Und wie einsam man in der Menge sein kann. Denk ich an Deutschlan­d in der Nacht, Deutschlan­d 2017 – Regie: Romuald Karmakar, 107 Min.

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FOTO: VERLEIH Ricardo Villalobos in seiner Studio-Rumpelkamm­er.

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