Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Eine Abwahl erster Klasse

- VON MICHAEL BRÖCKER

Ministerpr­äsident Armin Laschet. An diesen Titel wird man sich noch gewöhnen müssen. Vor allem die SPD. Als „Wackeldack­el“hatten die überheblic­h auftretend­en Sozialdemo­kraten den Aachener CDUHerausf­orderer im Wahlkampf verspottet. Sie irrten. Laschet gab den Terrier. Mit FDP-Erfolgsgar­ant Christian Lindner präsentier­ten sich beide gar als Partner mit der kalten Schnauze. Sie bissen erst am Wahlabend zu. Schwarz-Gelb ist nun wieder möglich. Erstmals seit 2005. Es wäre überhaupt erst das dritte Mal seit 1947.

Minus 13 Prozentpun­kte für SPD und Grüne. Elf Prozentpun­kte plus für CDU und FDP. So klar wurde selten eine Landesregi­erung aus dem Amt gefegt. Vor allem die SPD und ihre einst als Kanzlerkan­didatin gehandelte Ministerpr­äsidentin Hannelore Kraft müssen sich diese Niederlage anheften. Die SPD erreichte in ihrer Herzkammer, in ihrem Stammland ihr schlechtes­tes Ergebnis seit 1947. Selbst bei der vorgezogen­en Wahl 2005, als Tausende gegen die SPD und die Schrödersc­he Agenda-Politik auf die Straßen gingen und sich eine neue linke Partei bildete, erreichte die NRW-SPD noch 37 Prozent. Der angebliche Amtsbonus von Frau Kraft, die im Wahlkampf alles auf ihre Person zuschnitt und sich Einmischun­gen verbat, wurde zum Malus. Kraft agierte selbstherr­lich, schob Kritik schnippisc­h beiseite und tat so, als laufe alles gut. Was für eine Fehleinsch­ätzung! 230.000 Wähler liefen allein von der SPD zur CDU über.

Krafts Abstieg begann 2014, als die Ministerpr­äsidentin angeblich im Urlaub in Brandenbur­g nicht erreichbar war, während in Münster nach einem Orkan Menschen gestorben waren. Ihr Nimbus als Kümmerin war dahin. Pannen folgten. „Landesmutt­er außer Dienst“schrieb unsere Zeitung damals. Kraft kam nicht mehr zurück zum Dienst. Zuletzt sagte sie, auf ihren Veranstalt­ungen würde sich keiner für das Thema Innere Sicherheit interessie­ren. Wer so tief im Tunnel steckt oder anders: Wer so wenig Gespür für die Menschen hat, muss verlieren. Kraft hat viel für das Land getan, aber es reichte am Ende nicht mehr. Die SPD-Niederlage ist auch eine Klatsche für den Kanzlerkan­didaten Martin Schulz, der selbst gesagt hatte, dass ein Wahlsieg in NRW ihn ins Kanzleramt bringen würde. Doch über den Schulz-Effekt sprechen ohnehin nur noch die Kabarettis­ten.

Die NRW-CDU setzte auf die nüchterne Wirkung der Realität. Die zentralen Themen Innere Sicherheit, Bildung und Wirtschaft waren die offenen Flanken der Landesregi­erung. Diese Wahl war ein Votum über die Leistungsb­ilanz der Regierung Kraft/Löhrmann. Sieben Jahre hatte Rot-Grün Zeit, das Land wie versproche­n stärker, gerechter und sicherer zu machen. Passiert ist zu wenig. Stillstand ist aber keine Option für die stolzen Nordrhein-Westfalen, die sich mit Mittelklas­seplätzen nicht zufriedeng­eben wollen.

Der CDU-Herausford­erer Armin Laschet agierte ruhig, unaufgereg­t (was manche als zu brav und bieder interpreti­erten). Immer wieder zeigte er auf die Fehler der Landesregi­erung und versprach in alter Schröder-Manier: Man werde nicht alles anders, aber vieles besser machen. Hinzu kam: Wer schulpflic­htige Kinder hat, konnte Rot-Grün nur schwerlich wählen. Chaos allenthalb­en auf dem so wichtigen Feld der Schulpolit­ik. Sylvia Löhrmann hat auf ganzer Linie versagt.

Der zweite große Gewinner des Abends, FDPStrahle­mann Christian Lindner, hatte früh auf das Thema Bildung gesetzt. Und lag richtig. Der Erfolg der Liberalen in NRW ist herausrage­nd, und es ist vor allem der Erfolg des Christian Lindner, der sich kaum Sorgen machen muss, dass die FDP im Herbst den Einzug in den Bundestag verpasst. Die FDP hat den Igitt-Faktor von 2013 abgelegt. Sie wird gebraucht, ja von vielen offenbar sogar wieder geliebt. Auch eine überrasche­nde Analyse des Abends.

Ärgerlich: Ausgerechn­et im Landtag von NRW, einem Bundesland, das sich durch die Vielfalt der Regionen und Kulturen auszeichne­t, sitzt nun eine Partei, die Stimmung gegen Ausländer macht. Man wird bei der AfD im Landtag genau hinschauen müssen.

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