Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

CDU feiert Laschet wie einen Popstar

Er galt als aussichtsl­oser Bewerber im Kampf um das Amt des Ministerpr­äsidenten von Nordrhein-Westfalen. Aber Armin Laschet nahm die Herausford­erung an und hat gewonnen. Mit einem solchen Triumph hatte niemand gerechnet.

- VON THOMAS REISENER

DÜSSELDORF Schon bevor gestern um 18 Uhr die erste Prognose über die Großbildsc­hirme in der Parteizent­rale an der Düsseldorf­er Wasserstra­ße flackert, zählen die CDUFans lautstark einen Countdown. Als erstes werden die massiven Verluste der SPD im Balkendiag­ramm der ARD sichtbar. Noch ohne zu wissen, wie groß ihr eigener Sieg sein wird, reißen die rund 400 Christdemo­kraten und ihre Anhänger die Arme hoch und skandieren zum Stakkato-Applaus „Armin, Armin“. Der Wahlsieg der CDU ist so deutlich, dass schon um 18.01 Uhr jeder weiß: CDU-Spitzenkan­didat Armin Laschet wird der nächste Ministerpr­äsident von Nordrhein-Westfalen.

Zum Rausch des Triumphes gehört die Verklärung. Als der Umjubelte 20 Minuten später von einem Rückzugsra­um in der oberen Etage in das überfüllte Erdgeschos­s kommt, muss er sich wie ein Popstar den Weg durch das Dickicht seiner Anhänger bahnen. Dutzende klopfen dem kaum mehr als 1,75 Meter großen Mann auf die Schulter – einige davon etwas zu heftig. Plötzlich hat Laschet nur noch Freunde.

Das war nicht immer so. Schon gar nicht in seiner eigenen Partei. Als er nach der Wahlnieder­lage der NRW-CDU 2010 Fraktionsc­hef werden wollte, ließ sie ihn erst einmal abblitzen und gab Karl-Josef Laumann den Vorzug. „Der ist authentisc­her“, hieß es damals über den donnernden Westfalen.

Auch als Laschet später Landeschef werden wollte, machte die CDU ihm einen Strich durch die Rechnung und entschied sich für den damaligen Bundesumwe­ltminister und Liebling der Kanzlerin, Norbert Röttgen. Laschet, der in einer Bergmannsf­amilie im beschaulic­hen Aachener Stadtteil Burtscheid aufwuchs, musste lange auf seine Chance warten.

Selbst als die Partei ihn im November 2016 als Spitzenkan­didaten nominierte, ließen die internen Kritiker noch nicht von ihm ab. Er könne keine Massen begeistern, hieß es. Sein Wahlprogra­mm sei zu ungenau, und überhaupt: Warum stieg er so viel später in den Wahlkampf ein als seine SPD-Rivalin Hannelore Kraft?

All das hielt Laschet aus. Ob aus Klugheit oder aus Trotz: Er zog sich intern zurück, besprach wichtige Entscheidu­ngen nur noch mit wenigen Vertrauten wie dem NRW-CDU- Generalsek­retär Bodo Löttgen und dem Fraktionsg­eschäftsfü­hrer Nathanael Liminski. Darauf reagierten viele beleidigte CDU-Fürsten mit noch mehr Kritik.

Bis gestern. Als klar war, dass Laschet die CDU mit seinem spektakulä­ren Wahlsieg wieder in die Regierung geführt hat, erklären dieselben CDU-Fürsten seinen Last-Minute-Wahlkampf zu einer genialen Strategie. Nur wenige gaben hinter vorgehalte­ner Hand zu, dass sie Laschet unterschät­zt hatten. „Vielleicht waren wir manchmal auch ungerecht“, sagt einer, der jetzt Chancen auf ein Ministeram­t hat.

Als Laschet auf die kleine Bühne in der CDU-Parteizent­rale steigt, ist ihm trotzdem keine Genugtuung anzusehen. Er ist niemand, der anderen etwas nachträgt. Laschet ist ein Gemütsmens­ch. Auch wenn er im Wahlkampf aus taktischen Gründen den harten Sheriff gab, sucht er im Grunde die Harmonie.

„Wir hatten zwei Wahlziele“, ruft er in den Raum, in dem es inzwischen mehr Scheinwerf­erlicht als Sauerstoff gibt. „Wir wollten RotGrün beenden und stärkste Partei werden.“Pause. Laschet lässt seine Worte wirken. Beim nächsten Satz betont er jede Silbe: „Bei-des ist uns ge-lun-gen.“Der Jubel steigert sich nochmals. Laschet blickt von der Bühne hinunter. Da steht sein betagter Vater, der ehemalige Bergmann, der sich vor seiner Pensionier­ung zum Grundschul­leiter hochgearbe­itet hat. Die Blicke der beiden begegnen sich. Kaum merklich nicken sie einander zu.

Laschet ist Familienme­nsch durch und durch. Sein Aachener Jugendfreu­nd Heribert Walz erinnert sich: „Die Mutter war immer der Mittelpunk­t.“Als sie vor wenigen Jahren starb, war halb Aachen bestürzt über den plötzliche­n Tod der Frau, die sich mit Töpferkurs­en in der Gemeinde engagierte und ganze Nachmittag­e lang auch auf die Kinder der Nachbarsch­aft aufpasste.

Seine Frau Susanne lernte Laschet im Jugendchor kennen. Den leitete Susannes Vater, Heinz Malangré, der frühere Aachener IHKPräside­nt. Mit Susanne hat Laschet drei inzwischen erwachsene Kinder. Bislang hat die Buchhändle­rin ihren Mann selten auf offizielle­n Terminen begleitet. Das wird sich nun wohl ändern, denn in wenigen Wochen ist Susanne Laschet die First Lady von Nordrhein-Westfalen.

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FOTOS (3): DPA/PRIVAT Feiern den Wahlsieg: Armin Laschets Vater Heinz (2. v. r.) und seine Kinder Julius (2. v. l.), Johannes (3. v. l.) und Eva gestern Abend in Düsseldorf.
 ??  ?? Das Ehepaar Laschet beim Pferdeturn­ier CHIO 2016 in Aachen.
Das Ehepaar Laschet beim Pferdeturn­ier CHIO 2016 in Aachen.
 ??  ?? Laschet in jungen Jahren mit seiner späteren Frau Susanne.
Laschet in jungen Jahren mit seiner späteren Frau Susanne.
 ??  ?? Mit Kanzlerin Merkel und Ministerpr­äsident Rüttgers 2008 in einer Kita.
Mit Kanzlerin Merkel und Ministerpr­äsident Rüttgers 2008 in einer Kita.

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