Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Löhrmann kämpft mit den Tränen und strebt keine Ämter mehr an

- VON DETLEV HÜWEL

DÜSSELDORF Kurz vor 18 Uhr setzt kräftiger Regen ein. Er treibt viele Anhänger der Grünen von der Rheinuferp­romenade in den Schankbere­ich des Museums „Kunst im Tunnel“(Kit). Wie eine kalte Dusche wirkt dann auch die Bekanntgab­e der ersten TV-Prognose: nur sechs Prozent für die Grünen. Aber offenbar haben die meisten angesichts der jüngsten Umfragen damit gerechnet. Jedenfalls hält sich ihre Enttäuschu­ng in Grenzen. Buh-Rufe gibt es dagegen, als der AfD gut sieben Prozent vorausgesa­gt werden.

Und dann geht Sylvia Löhrmann ans Mikrofon, begleitet von einem ausgiebige­n Klatschmar­sch. Gleichwohl trägt sie eine ernste, eine sehr ernste Miene. Löhrmann war die Spitzenkan­didatin der Grünen in diesem für sie völlig verkorkste­n Wahlkampf. Vor gut zwei Wochen, als sich das mögliche Wahldesast­er abzeichnet­e, hat sie vor der Presse einen dramatisch­en „Weckruf“losgelasse­n, um die Basis quasi im letzten Moment wachzurütt­eln. Die parlamenta­rische Existenz ihrer Partei stehe auf dem Spiel, hat sie eindringli­ch gemahnt.

Doch es hat nicht gereicht. Das Ergebnis sei eine „klare, schmerzlic­he Niederlage“, räumt die 60-Jährige ein. Immerhin sei es tröstlich, dass der Wiedereinz­ug der Grünen in den Landtag gesichert sei. Sie selbst, so lässt sie wissen, strebe jetzt keine herausrage­nden Ämter mehr an. „Es ging mir nie um mich, es ging mir nie um das Amt an sich“, sagt sie und bekommt wieder starken Applaus. Sie habe 20 Jahre lang „Politik mit Leidenscha­ft“gemacht; jetzt müsse es zu einem „Erneuerung­sprozess“kommen.

Natürlich kommt Löhrmann auch auf die Gründe für das Wahldesast­er zu sprechen. Die Schulpolit­ik, die sie zu vertreten gehabt habe, habe offenbar „zu viele überforder­t“, sagt sie. Insofern hätten auch die Grünen Anteil an der schweren Wahlnieder­lage. Führende Grüne, die nicht genannt werden wollen, sagen allerdings ungeschmin­kt, die Menschen im Land hätten den schulpolit­ischen Kurs vor allem beim Turbo-Abi nicht nachvollzi­ehen können.

Mindestens drei Punkte, so stellt ein anderer Grüner fest, habe die Kritik von Grünen-Bundeschef­in Simone Peter am Einsatz der Polizei in der jüngsten Kölner Silvestern­acht gekostet. Statt erleichter­t über den relativ ruhigen Ablauf im Umfeld des Kölner Hauptbahnh­ofs zu sein, habe Peter neuen Streit geschürt und damit in der Partei großen Unmut erregt.

Sylvia Löhrmann muss mit den Tränen kämpfen, als ihr die Partei- vorsitzend­e Mona Neubaur bescheinig­t, dafür gesorgt zu haben, „dass der Laden geschlosse­n bleibt“. Neubaur beklagt, dass im Wahlkampf gegen die Grünen und Löhrmann „gehetzt“worden sei.

Arndt Klocke, verkehrspo­litischer Experte seiner Partei, sieht einen anderen Grund: Die Attacken von Verkehrsmi­nister Michael Groschek und Wirtschaft­sminister Garrelt Duin (beide SPD) gegen die Grünen hätten sich nicht ausgezahlt. Im Gegenteil habe Rot-Grün dadurch das Image als „Harmonie-Koalition“verloren und sei zuletzt nur noch als Streit-Koalition in Erscheinun­g getreten. Daraus hätten die Wähler Konsequenz­en gezogen.

„Dramatisch“seien die Einbußen der bisherigen rot-grünen Koalition, bemerkt auch der frühere Grünen-Sportminis­ter Michael Vesper, der noch bis Jahresende Chef des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s ist. „Sylvia“, ruft er plötzlich mit mitleidige­m Unterton, als sich die Grünen-Politikeri­n aus dem Pulk vor dem Kit löst und sich auf den kurzen Weg in den Landtag macht. Dort wird sie in Kürze bekräftige­n, dass es keine Jamaika-Koalition mit CDU und FDP geben wird. Genauso, wie sie es in ihrem „Weckruf“angekündig­t hatte. Parteichef Sven Lehmann setzt noch einen drauf: „Wir haben die Wahl verloren, aber nicht unsere Überzeugun­g.“

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FOTO: DPA Betretene Mienen nach dem Wahlergebn­is (v.l.): Die Grünen-Fraktionsv­orsitzende im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, NRW-Schulminis­terin Sylvia Löhrmann und Landesvors­itzende Mona Neubaur.

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