Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ein Spiel als Spiegel der Saison

Mönchengla­dbach hat nach dem 1:1 in Wolfsburg nur noch theoretisc­he Chancen auf Europa.

- VON JANNIK SORGATZ

WOLFSBURG Keine deutsche Mannschaft war in dieser Saison häufiger im Einsatz als Borussia Mönchengla­dbach. Wer verstehen will, warum es in der Europa League und im DFB-Pokal zweimal ein bitteres Aus ohne Niederlage gab und warum der Verein mit sehr großer Wahrschein­lichkeit erstmals seit 2013 das internatio­nale Geschäft verpassen wird, der kann sich die 50 Spiele am Stück anschauen. Da dies jedoch mehr als drei Tage dauert, ein nützlicher Tipp: Das 1:1 beim VfL Wolfsburg reicht für einen Überblick.

Was fehlte? Wieder mal nur ein zweites Tor.

Wer fehlte? Weniger Spieler als in den vergangene­n Wochen, aber von den eingesetzt­en Profis waren mindestens fünf nicht bei 100 Prozent.

Was hatte Wolfsburg, was Gladbach nicht hatte? Über 57 Minuten nichts. Mit 5:12 Torschüsse­n waren die Gastgeber klar unterlegen, dann wurden sie großzügig eingeladen.

Wie war das Wetter? Ausnahmswe­ise eine berechtigt­e Frage, weil Blitz, Donner und Hagel nach 78 Minuten für eine Unterbrech­ung sorgten. In der Kabine ordneten und erholten sich die Gladbacher etwas. Beide Teams konnten sich die Tabelle anschauen, weil unterdesse­n alle anderen Spiele zu Ende gingen.

„Wir wollten noch gewinnen“, sagte Trainer Dieter Hecking, dessen Spieler in der Schlusspha­se engagierte­r auftraten. „Wenn Wolfsburg seine Konter besser ausspielt, verlieren wir. Aber das wäre uns in dem Fall egal gewesen, weil die Optionen Richtung Europa mit einem Sieg viel größer gewesen wären.“Gladbach wäre auf den achten Platz gesprungen und hätte bei einem Erfolg gegen Darmstadt am letzten Spieltag nur hoffen müssen, dass Köln entweder nicht gegen Mainz gewinnt, Freiburg in München nicht gewinnt oder Hertha gegen Leverkusen verliert. Nun allerdings sind Freiburg und Hertha für Borussia unerreichb­ar, Köln muss verlieren, und zusätzlich darf Bremen in Dortmund nicht gewinnen.

Wieder einmal gab es kein Happy End. Nach dem Abpfiff saß Christoph Kramer entkräftet und enttäuscht in der Wolfsburge­r Seenlandsc­haft auf dem Rasen. Seine Rückkehr in die Startelf hatte Borussia mehr Stabilität verliehen, er lief 12,7 Kilometer, spielte bei 75 Versuchen nur fünf Fehlpässe und bereitete Jannik Vestergaar­ds Tor gefühlvoll vor. Als er in der Interviewz­one stand, hatte sich Kramer wieder gefangen. Wo die Punkte zu suchen sind, die fehlen? „In der kompletten Hinrunde“, sagte Kramer. „Aber das ist eine ganz normale Entwicklun­g für einen Verein wie Borussia Mönchengla­dbach. In fünfeinhal­b spek- takulären Jahren hast du ein halbes gehabt, was aus unterschie­dlichen Gründen echt Mist war.“

Die Analysen der Spieler und ihres Trainers glichen sich so sehr, dass vermutet werden darf, sie hätten sich abgesproch­en. Neben Kritik an der Ausbeute gegen die zwei Abstiegska­ndidaten Augsburg und Wolfsburg (jeweils 1:1) überwog die Haltung, man habe sich nichts vorzuwerfe­n in der Bundesliga-Rückrunde. Tatsächlic­h dürfte es die zweitbeste seit 24 Jahren werden, nur die 39 Punkte unter Lucien Favre 2015 bleiben unerreicht. „Wenn mir Anfang Januar jemand gesagt hätte, dass wir am letzten Spieltag noch die Chance haben auf Europa, hätte ich sofort eingeschla­gen“, sagte Hecking und bezeichnet­e die Ausbeute seit seiner Übernahme als „außerorden­tlich gut“.

Es gibt reichlich Ansätze bei der Fahndung nach zwei, drei fehlenden Punkten. Zum einen gab es im Oktober, November und Dezember nur einen Sieg unter André Schubert. Zum anderen hat Borussia von den neun sieglosen Spielen unter Hecking nur eines mit zwei Toren Unterschie­d verloren. Es fehlt die Verlässlic­hkeit, die über Jahre das Plus war. 65 Minuten gut, 25 Minuten schlecht – typischer hätte das 1:1 gegen Wolfsburg kaum sein können.

 ?? FOTO: DPA ?? Krabbelgru­ppe: der Mönchengla­dbacher Nico Elvedi (i.) und der Wolfsburge­r Paul-Georges Ntep.
FOTO: DPA Krabbelgru­ppe: der Mönchengla­dbacher Nico Elvedi (i.) und der Wolfsburge­r Paul-Georges Ntep.

Newspapers in German

Newspapers from Germany