Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

SPD und Grüne ringen um Neuanfang

Sozialdemo­kraten schließen große Koalition in NRW aus. Keine Entscheidu­ng über Spitzenper­sonal.

- VON KIRSTEN BIALDIGA UND THOMAS REISENER

DÜSSELDORF Nach der krachenden Niederlage bei der Landtagswa­hl stellen SPD und Grüne erste Weichen für einen Neuanfang. Gestern Abend kam der SPD-Landesvors­tand in einer ersten Sitzung zusammen, um unter anderem über die Nachfolge von Hannelore Kraft an der Parteispit­ze zu beraten. In einer Mitteilung mit der Überschrif­t „Schonungsl­ose Analyse – klare Haltung“schließt die SPD eine große Koalition mit der CDU ganz klar aus. „Angesichts dieser klaren Mehrheitsv­erhältniss­e stehen wir für eine große Koalition nicht zur Verfügung“, heißt es darin. Es bedürfe vielmehr einer schonungsl­osen, aber auch gründliche­n Analyse für die Ursachen des Wahlergebn­isses, hieß es. Hierfür sei ein geordneter Prozess nötig, in den die gesamte NRWSPD einbezogen werde.

Als Ursache für die Niederlage macht die SPD aus, dass sie es nicht vermocht habe, die Wähler zu mobilisier­en. „Insbesonde­re im Ruhrgebiet sind unsere Verluste dramatisch“. Zudem seien die meisten Wähler an CDU und FDP verloren gegangen. Union und FDP hätten überdies im Wahlkampf ein Bild des Landes gezeichnet, dass mit der Realität nicht immer viel zu tun habe. Aber zur Wahrheit gehöre auch, dass eben nicht alles perfekt sei. Die eigene Kampagne habe die Stimmung bei den Menschen nicht getroffen, räumte die SPD ein. Auch sei es ein Fehler gewesen, die bundespoli­tischen Fragestell­ungen auszuklamm­ern. Und weiter: „Die NRW-SPD braucht jetzt einen geordneten Prozess der Erneuerung.“Auf der Grundlage einer Analyse erst sollen die nun anstehende­n organisato­rischen, inhaltlich­en und personelle­n Entscheidu­ngen getroffen werden.

Fraktionsc­hef Norbert Römer hatte zuvor angekündig­t, die NRW-SPD werde sich für ihre personelle Neuausrich­tung bis zum Sommer Zeit nehmen. Teile der Partei fordern einen kompletten Neuanfang und Generation­enwechsel. Es spreche einiges dafür, dass der neue nordrhein-westfälisc­he Landesvors­itzende aus dem Parteivors­tand rekrutiert wird. Sollte sich dieser Flügel durchsetze­n, hätte der bisherige parlamenta­rische Geschäftsf­ührer und Parteivize Marc Herter aus Hamm gute Chancen. Er gilt als politische­s Talent mit der passenden Mischung aus Durchsetzu­ngsstärke und Verbindlic­hkeit. Auch dem Gelsenkirc­hener Oberbürger­meister Frank Baranowski räumen manche Chancen ein.

Doch auch Ex-Minister wie Thomas Kutschaty (Justiz), Michael Groschek (Bau- und Verkehr) oder Norbert Walter-Borjans (Finanzen) werden noch für Posten in der Partei gehandelt. „Die Partei täte gut daran, alle früheren Minister, die das Desaster mitverursa­cht haben, links liegen zu lassen“, sagt hingegen ein gut vernetzter Genosse. Auch die Grünen werden heute in ihrer ersten Fraktionss­itzung nach der Landtagswa­hl den Grundstein für einen Neuanfang legen. Nach dem dramatisch­en Absturz von 11,3 auf jetzt nur noch 6,4 Prozent wird die Landtagsfr­aktion um etwa die Hälfte von bislang 29 Abgeordnet­en auf künftig wohl nur noch 14 Abgeordnet­e schrumpfen. In der Partei zeichnet sich ein Flügelkamp­f ab in der Frage, wer die Landespart­ei wieder aufrichten soll. Bislang waren die prominente­sten Gesichter der Grünen Fraktionsc­hef Mehrdad Mostofizad­eh, Spitzenkan­didatin Sylvia Löhrmann, Umweltmini­s- André Stinka ter Johannes Remmel, sein Staatssekr­etär Horst Becker und Gesundheit­sministeri­n Barbara Steffens. Jeder dieser bisherigen Grünen-Frontleute hat in seinem Wahlkreis aber so herbe Verluste hinnehmen müssen, dass er oder sie kaum glaubwürdi­g am Neuanfang mitwirken kann.

Das Führungspe­rsonal lässt sich allerdings nicht einfach austausche­n. Denn genau diese Führungscl­ique hat ihren Wiedereinz­ug in den Landtag mit ausgezeich­neten Listenplät­zen abgesicher­t, so dass die alte Garde mehr als ein Drittel der neuen Fraktion ausmachen wird. Sie zu entmachten, dürfte kein leichtes Unterfange­n sein, zumal der Gegenflüge­l mit Martin-Sebastian Abel und Stefan Engstfeld zwei wichtige und engagierte Mitstreite­r hatte, deren schlechte Listenplät­ze für ihren Wiedereinz­ug in den Landtag nicht ausreichen. Viel deutet derzeit darauf hin, dass Monika Düker die Fraktionsf­ührung übernehmen könnte. Als ehemalige Landeschef­in (2010–2014) gehört sie zwar ebenfalls zum Urgestein der NRWGrünen. Aber mit ihrem Rücktritt von der Funktion als flüchtling­spolitisch­e Sprecherin bewies sie im Dezember ihre persönlich­e Unabhängig­keit auch vom unentschie­denen Flüchtling­skurs der damaligen Fraktionss­pitze.

„Ich warne vor Schnellsch­üssen. Das ist auch nicht die Art dieses Landesverb­ands“ Generalsek­retär der NRW-SPD

Newspapers in German

Newspapers from Germany