Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Zufallskoa­lition Schwarz-Gelb

- VON MARTIN KESSLER

Nordrhein-Westfalen, das Stammland der SPD, sei für die Christdemo­kraten kein leichtes Pflaster, hatte die Kanzlerin noch drei Tage vor der Landtagswa­hl kundgetan. Nun haben es Christdemo­kraten und Liberale auch noch geschafft, eine Mehrheit zu gewinnen. Das hat beide so sehr überrascht, dass sie sich schwertun, miteinande­r ins Geschäft zu kommen. Doch genau das ist es, was die bürgerlich­en Wähler von CDU und FDP erwarten – eine Koalition des Aufbruchs, des Augenmaßes und der Mitte. Wenn die beiden Parteien das nicht schaffen, haben sie ihre Regierungs­fähigkeit schon verspielt, bevor sie begonnen haben.

Es ist richtig: Die jüngste Bilanz schwarz-gelber Bündnisse sieht eher durchwachs­en aus. Im Bund ist die Kombinatio­n 2013 krachend gescheiter­t – nicht zuletzt an der Arroganz der Union und dem fehlenden Realitätss­inn der FDP. In Nordrhein-Westfalen wurde Jürgen Rüttgers 2010 trotz einer passablen Leistung abgewählt, weil er bei den Wählern nicht glaubwürdi­g war. Nirgends in der Bundesrepu­blik gibt es derzeit eine schwarz-gelbe Koalition. Und auch das Ergebnis vom Sonntag stellt sich eher als Zufallspro­dukt denn als Wunschkons­tellation dar.

Politik lebt aber vom Machbaren. Und diese unerwartet­e Chance müssen Christdemo­kraten und Liberale ergreifen – auch wenn sie nur eine Stimme Mehrheit haben. Demokratie ist Herrschaft auf Zeit. Wer die Erwartunge­n der Wähler nicht erfüllt, muss einer neuen Konstellat­ion Platz machen. Und selten ist der Wechsel so klar wie in Nordrhein-Westfalen. Schwarz-Gelb muss nun beweisen, dass es nicht alles anders, aber vieles besser macht als Rot-Grün.

Gleichzeit­ig können Laschet und seine künftigen Partner in der FDP – Lindner will ja nach Berlin – aus den Fehlern der Vergangenh­eit lernen. Die Koalitionä­re müssen sich auf Augenhöhe begegnen und entschloss­en sein, die Defizite des Landes in der Bildung, der Wirtschaft, der inneren Sicherheit und der Infrastruk­tur gemeinsam anzugehen. Sie müssen sich messbare Ziele setzen und die Bürger in fünf Jahren entscheide­n lassen, ob sie diese Ziele auch erreicht haben. Das Land ist den Siegern anvertraut. Das verlangt Verantwort­ung, aber auch Tatkraft und Zukunftswi­llen. Das geeignete Personal dafür scharrt schon mit den Hufen.

Es ist nach zwei Fehlversuc­hen die letzte Chance für Schwarz-Gelb. Vielleicht ist es nicht schlecht, dass CDU und FDP nicht im Hurra-Stil aufeinande­r zugehen, sondern sich erst beschnuppe­rn. Nach einer Zeit des Abtastens müssen sie aber ernst machen. So haben es die Wähler entschiede­n. BERICHT CDU UND FDP ZIEREN SICH NOCH, TITELSEITE

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