Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

AfD-Hochburg Gelsenkirc­hen

Ein Besuch im Stadtteil Schalke am Tag nach der Landtagswa­hl.

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GELSENKIRC­HEN (heif/hsr/rky) Konrad Mühlen ist Schalker durch und durch. Sein Trikot und eine Kette des Fußballclu­bs trägt er auch, wenn er mal eben mit dem Hund zur Trinkhalle geht, um sich seine Zeitung zu holen. Mühlen lebt seit 35 Jahren in Gelsenkirc­hen-Schalke. Hier hat die AfD am Sonntag besonders viele Stimmen geholt. „Also, ich hab die nicht gewählt“, sagt der 61-Jährige und lacht. Aber, sagt er, viele seiner Kumpels hätten ihr Kreuz bei der rechtspopu­listischen Partei gemacht. „Und ich kann sie irgendwie verstehen.“

Wenn er sein Fenster im Wohnzimmer auf Kipp habe, höre er am Abend kaum eine deutsche Stimme von der Straße. Und dann beginnt Mühlen einen Satz mit den Worten, die hier am Tag nach der Wahl immer wieder Sätze einleiten: „Ich habe nichts gegen Ausländer, aber. . .“Mühlen erzählt von Syrern, die ihren Müll einfach auf die Straße werfen, und von Nachbarinn­en, die Angst haben, abends rauszugehe­n. „Wegen der vielen ausländisc­hen Männer.“

Mehr als 14.700 Gelsenkirc­hener haben die AfD gewählt. Die Partei hat im Wahlkreis Gelsenkirc­hen II mit 15,2 Prozent ihr bestes Ergebnis im Land eingefahre­n. Besonders in Stadtteile­n wie Schalke, wo viele Migranten leben, viele arbeitslos sind, erreichte die Partei viele Wähler.

Vor einem Obst- und Gemüsegesc­häft an der Schalker Straße stehen am Nachmittag zwei ältere Männer und diskutiere­n über die Wahl. Einer hat für die AfD gestimmt, der andere war gar nicht wählen. „Dass die SPD so haushoch verliert, war mir nach der Kölner Silvestern­acht schon klar“, sagt der AfD-Wähler, 84 Jahre alt. Er hat seine Stimme den Rechtspopu­listen gegeben, weil er erreichen wollte, dass „die großen Parteien mal einen auf den Deckel kriegen“. Die seien schließlic­h dafür verantwort­lich, dass „so viele Fremde“nach Deutschlan­d gekommen seien, die jetzt allein gelassen würden. „Ich bin Protestwäh­ler“, sagt er.

Adem Cukur lebt in Gelsenkirc­hen und Istanbul und hat eine Tankstelle an der Bochumer Straße in Gelsenkirc­hen. Er versteht vor allem die älteren Menschen nicht, die für die AfD gestimmt haben. „Gerade die haben doch mitbekomme­n, wer nach dem Zweiten Weltkrieg beim Wiederaufb­au des Landes geholfen hat“, sagt der 54-Jährige. Er kennt die Ängste seiner Mitmensche­n. „Es ist die Angst vor Überfremdu­ng, viele fühlen sich unsicher, wenn eine Gruppe von Syrern auf der Straße steht.“

Auch an der Bochumer Straße sei das so. „Neulich stand eine Riesengrup­pe Männer und Frauen bei mir vor der Tankstelle und hat laut diskutiert.“Er sei dann zu ihnen gegangen und habe sie gebeten, leiser zu sein. „Ein paar Tage später habe ich dieselbe Gruppe in der Innenstadt getroffen, da wollten sie mit mir Kaffee trinken gehen – Reden ist immer ein Anfang.“

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FOTO: IMAGO AfD-Wahlplakat

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