Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

FDP unsicher, CDU startet durch, AfD sauer, Grüne klären Kurs

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN So weit ist es schon wieder, dass ein FDP-Chef mit einem Luxusprobl­em in die Hauptstadt fährt. Das NRW-Wahlergebn­is sei „so gut, dass es jetzt nicht ganz leicht ist, mit ihm richtig umzugehen“, lautet die Analyse von Christian Lindner am Morgen nach dem triumphale­n 12,6-Prozent-Rekord. Da es für die Liberalen seit dem 2013er Rauswurf aus dem Bundestag nichts Wichtigere­s gibt, als 2017 wieder reinzukomm­en, ist sich Lindner offenkundi­g unsicher, welche Signale aus Düsseldorf und Kiel die Chancen steigern, welche sie schmälern.

Neue Wähler hätten eine neue Wahrnehmun­g von einer anderen FDP, meint Lindner. Er will vor allem vermeiden, die FDP erneut auf die Funktion einer Mehrheitsb­eschafferi­n zu reduzieren. Wo liegt also die Grenze zwischen Flucht vor der Verantwort­ung und ausreichen­d erkennbare­m Politikwec­hsel als Voraussetz­ung für Regierungs­beteiligun­gen in Schleswig-Holstein und in NRW? Während im Norden die Sondierung­en gerade angelaufen sind, hat im Westen CDU-Wahlsieger Armin Laschet den FDPWahlsie­ger Lindner noch nicht angerufen.

Laschet kann sich im internen Gespräch mit den Kollegen im CDU-Präsidium vorstellen, dass es mit dieser FDP nicht einfach wird. Gerade auf dem Feld der Inneren Si- cherheit stehen die Liberalen traditione­ll auf der Bremse, von der Schleierfa­hndung bis zur Vorratsdat­enspeicher­ung. Die FDP will hier mit Blick auf den Bund die Hürden besonders hoch legen, die CDU analysiert wiederum, dass ihre scharfen Forderunge­n besonders zu ihrem Erfolg beigetrage­n haben, sie also liefern muss. Am Ende bleibt die große Koalition als Option.

Auch die Union denkt die Sondierung­en in Kiel und Düsseldorf inzwischen vom bundespoli­tischen Ende her. Nun beginne eine „neue Phase im Bundestags­wahljahr und im Bundestags­wahlkampf“, sagt CDU-Chefin Angela Merkel. Und sie verbindet das Lob der gemeinsame­n Erfolge in der großen Koalition mit einer Absetzbewe­gung: Das Thema der Gerechtigk­eit sei zwar wichtig, doch bei der SPD stimme die Reihenfolg­e nicht. Erst gehe es um Innovation, und daraus folge die Gerechtigk­eit. Im Präsidium lässt sie auch keinen Zweifel daran, dass die Erkenntnis­se aus dem NRWWahlkam­pf Einfluss haben werden auf das Wahlprogra­mm, das nun bis Anfang Juli erarbeitet werden soll.

Sauer ist die AfD im Bund darauf, dass Laschet in NRW mit „allen demokratis­chen Parteien“sprechen wolle und die AfD nicht damit meine. AfD-Chef Jörg Meuthen sieht eine andere Klammer, wenn er feststellt, dass alle „bürgerlich­en“Parteien gewonnen hätten, also CDU, FDP und AfD. Mit ihren 7,6 Prozent ist die AfD zwar in ihren 13. Landtag eingezogen, aber deutlich unter den Umfrage-Ergebnisse­n aus dem Vorjahr. Die Ursachenfo­rschung führt zu unterschie­dlichen Ergebnisse­n. Parteichef­in Frauke Petry will weg von der Wahrnehmun­g als Protestpar­tei, Spitzenkan­didat Alexander Gauland bekennt sich genau dazu. Und er arbeitet die CDU als Feindbild heraus. Nach den drei Niederlage­n der SPD sei Merkel mit ihrer „verheerend­en Flüchtling­spolitik“wieder die Hauptgegne­rin, sagt Gauland – „ja, ich würde fast sagen: die Hauptfeind­in der AfD“.

Die Linke ist maßlos enttäuscht, dass es um 0,1 Prozentpun­kt nicht für den Einzug in den NRW-Landtag gereicht hat. Sie zieht ihre Hoffnun- gen aus einer Verdoppelu­ng ihres Ergebnisse­s. Die Grünen rechnen sich zugute, dass ihnen ihre Absage an eine Jamaika-Koalition mit CDU und FDP das Schicksal der Linken ersparte. Selbstkrit­isch nehmen sie auf, dass sie ihr Image als wirtschaft­sfeindlich­e Partei ablegen und das Thema Innere Sicherheit intensiver aufgreifen müssen. Und sie sind verärgert über das Vorpresche­n von Jürgen Trittin. Der hatte den Grünen in Kiel empfohlen, besser mit der SPD zu koalieren als mit der CDU, weil sie dann mehr vom Kuchen kriegten. Das weisen die Bundes-Grünen entschiede­n zurück. Und sie wollen als Konsequenz auch keine Koalitions­aussagen für die Bundestags­wahl.

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