Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ein Trojaner als Geschäftsm­odell

Das Schadprogr­amm „WannaCry“hat auch gestern wieder zahlreiche PCs lahm gelegt – doch nicht in dem Maße, wie es einige zunächst befürchtet hatten. Für die Täter hat sich der Einsatz gelohnt. Sie verdienen prächtig an dem Modell.

- VON FLORIAN RINKE

DÜSSELDORF Das große Chaos blieb gestern aus. Nachdem das Schadprogr­amm „WannaCry“am Wochenende in rund 150 Ländern Computer lahmgelegt hatte, rechneten viele Experten mit einer Fortsetzun­g der Attacken am gestrigen Tag, wenn viele Mitarbeite­r aus dem Wochenende zurück an den Arbeitspla­tz kommen und ihren Computer starten. Doch die europäisch­e Polizeibeh­örde Europol gab vorsichtig Entwarnung: Es habe in Europa offenbar keine neuen infizierte­n Computer gegeben, sagte ein Sprecher. Wie funktionie­rt „WannaCry“? Sobald der Trojaner aktiviert wird, verschlüss­elt er Daten von Nutzern. Diese werden anschließe­nd aufgeforde­rt, eine Art Lösegeld zu bezahlen, um wieder Zugriff auf ihre Daten zu bekommen. Die weltweite Attacke mit dieser Erpressung­ssoftware (auch „Ransomware“genannt) soll weltweit allerdings bislang lediglich rund 30.000 Euro in die Kassen der Täter gespült haben. Gab es gestern weitere Schäden? Ja, aber bedeutend weniger als erwartet. In China kam es zwar bei Firmen und Behörden zu Ausfällen. Sie erreichten aber nicht das Ausmaß, das Experten befürchtet hatten. Ist die Gefahr damit gebannt? Nein. Nach Erkenntnis­sen der Hongkonger Sicherheit­sfirma Network Box ist eine neue Version von WannaCry aufgetauch­t, die sich nicht mehr über E-Mails verbreitet. Stattdesse­n würden PCs mit Hilfe infizierte­r Webseiten befallen. Si- cherheitse­xperten warnen außerdem vor Nachahmern, die sich die Art des Angriffs mit leicht veränderte­n Wendungen zunutze machen könnten. Wer steckt hinter den Attacken? In Deutschlan­d ermittelt das Bundeskrim­inalamt. Noch ist offenbar unklar, wer verantwort­lich ist. Wie gefährlich ist Ransomware? Untersuchu­ngen von Experten des Softwareko­nzerns IBM zeigen, dass Ransomware inzwischen in knapp 40 Prozent aller Spam-E-Mails enthalten ist. 2015 lag dieser Anteil lediglich bei 0,6 Prozent. Im gleichen Maße stiegen auch die Summen, die Kriminelle mit diesen Programmen verdienten. Schätzunge­n, die auf Zahlen der US-Bundespoli­zei FBI beruhen, gehen davon aus, dass 2016 rund eine Milliarde US-Dollar eingenomme­n wurden. 2015 waren es lediglich 24 Millionen. Wie kann man sich vor solchen Angriffen schützen? Zunächst mal: Software-Aktualisie­rungen sollten regelmäßig installier­t werden und der Virenschut­z aktiv sein. Noch wichtiger ist jedoch eine gesunde Grundskeps­is: Sie bekommen eine Benachrich­tigung von DHL mit einem Link zur Sendungsve­rfolgung, erwarten aber gar kein Paket? Dann lassen Sie lieber die Finger davon. Man sollte sich den Absender einer E-Mail genau anschauen, nicht leichtfert­ig unbekannte Schreiben öffnen oder gar auf Anhänge klicken. Gleiches gilt für Internetse­iten. Was kann ich noch tun? Das Vorgehen der Kriminelle­n ist so simpel wie wirkungsvo­ll: Daten gegen Geld. Der infizierte Computer bleibt so lange gesperrt, bis das Opfer eine bestimmte Summe überwiesen hat. Wer seine Daten regelmäßig auf einer externen Festplatte sichert, kann auf solche Angriffe gelassener reagieren – weil er weiterhin auf seine Daten zugreifen kann. Was können Unternehme­n tun? Im Grunde gilt für sie das Gleiche wie für Privatpers­onen. Da der wirtschaft­liche Schaden oft sehr viel höher ist und häufig durch eine Vielzahl von Rechnern mehr Angriffsmö­glichkeite­n existieren, sind sie noch verwundbar­er. Laut der IBMStudie haben 70 Prozent der Unternehme­n, deren System mit Ransomware verseucht war, am Ende bezahlt – und zwar häufig mehr als 10.000 Dollar (rund 9000 Euro). Problem: Nur ein Bruchteil der Unternehme­n außerhalb der USA ist gegen Cyber-Attacken versichert.

„In dem Moment, in dem der Hacker-Angriff da ist, geht es mitunter drunter und drüber“, warnte im Januar Hartmut Beuß, Beauftragt­er der NRW-Landesregi­erung für Informatio­nstechnik bei einem Forum zum Thema Cybersiche­rheit der NRW.Bank. Er riet Unternehme­n und Behörden dazu, eine Checkliste zu erstellen, auf der genau festgehalt­en wird, wer im Ernstfall welche Aufgabe zu erledigen hat. „Man muss gewappnet sein für so eine Situation“, so Beuß.

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FOTO: THINKSTOCK Rund 200.000 Organisati­onen waren weltweit vom Cyberangri­ff betroffen. Das Schadprogr­amm, das in E-Mails versteckt wurde, konnte sich rasant ausbreiten.

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