Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

EU ermittelt wegen Wucherprei­sen bei Krebsmitte­ln

Brüssel verdächtig­t den Hersteller Aspen, bei fünf Krebsmitte­ln wie Melphalan stark überhöhte Preise zu nehmen.

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BRÜSSEL (anh/dpa) Wegen des Verdachts überhöhter Preise für fünf lebenswich­tige Krebsarzne­ien hat die EU-Kommission eine offizielle Untersuchu­ng gegen den südafrikan­ischen Hersteller Aspen Pharma eingeleite­t. Man habe Hinweise auf plötzliche Preiserhöh­ungen von zum Teil mehreren hundert Prozent, teilte Wettbewerb­skommissar­in Margrethe Vestager mit. Um die Aufschläge durchzuset­zen, soll Aspen in einigen EU-Ländern gedroht haben, die Mittel vom Markt zu nehmen. In bestimmten Fällen habe die Firma dies sogar getan. „Wenn der Preis eines Arzneimitt­els plötzlich steigt, muss die Kommission das prüfen“, betonte Vestager.

Es geht um die Wirkstoffe Chlorambuc­il, Melphalan, Mercaptopu­rin, Tioguanin und Busulfan, die zur Behandlung bestimmter Krebsarten wie Blutkrebs eingesetzt werden. Verschwänd­en die Mittel tatsächlic­h zeitweise vom Markt, hätten Ärzte weniger Behandlung­soptionen für die oft tödlichen Krankheite­n. Für diese Wirkstoffe ist Aspen zumindest in Deutschlan­d bei bestimmten Darreichun­gsformen der einzige Anbieter.

Aspen sitzt in Südafrika, hat aber Töchter in mehreren europäisch­en Ländern, auch in Deutschlan­d. Das Unternehme­n habe die Wirkstoffe nach Auslaufen ihres Patentschu­tzes erworben, teilte die Kommission mit. Der Patentschu­tz gilt in Deutschlan­d 20 Jahre. Die Kommission hat den Verdacht, dass das Unternehme­n eine marktbeher­rschende Stellung missbrauch­t habe. Sie prüft den Vorgang auf Grundla- ge des EU-Kartellrec­hts. Die Aktien von Aspen gab nach der Ankündigun­g Vestagers zeitweise um drei Prozent nach.

Insbesonde­re der Wirkstoff Melphalan ist seit längerem wegen anhaltende­r Lieferschw­ierigkeite­n in den Schlagzeil­en. Ärzte setzen Melphalan, der unter dem Handelsnam­en „Alkeran“vertrieben wird, zur Vorbereitu­ng einer Knochenmar­kstranspla­ntation ein, wie sie etwa der frühere FDP-Chef Guido Westerwell­e erhalten hat. Eine solche Transplant­ation kann die Krebserkra­nkung aufhalten oder den Patienten sogar heilen.

Auch aktuell führt das Bundesinst­itut für Arzneimitt­el und Medizinpro­dukte (BfArM) Melphalan auf seiner Liste für Arznei mit Lieferengp­ässen, die insgesamt 27 Arznei- en enthält, und nennt als Grund „Engpass in der Produktion“. Ein Ende des Engpasses ist demnach nicht absehbar: „Derzeit gibt es noch kein Datum für die uneingesch­ränkte Lieferfähi­gkeit“, teilt die Behörde mit. Der Bestand werde daher weiter kontingent­iert abgegeben. Ob diese Engpässe mit den Vorwürfen der EU-Kommission zusammenhä­ngen, dazu liegen keine Informatio­nen vor.

Es ist das erste derartige EU-Verfahren wegen möglicherw­eise zu hoher Preise in der Pharmaindu­strie. Preisvorsc­hriften und Erstattung­svorgaben für die Krankenver­sicherung regeln normalerwe­ise die Mitgliedst­aaten. Italien hatte bereits im September 2016 kartellrec­htliche Sanktionen in der Sache verhängt.

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