Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Stadlober gibt den Sünder

Frank Hoffmann inszeniert Strindberg­s Spätwerk „Rausch“unentschlo­ssen.

- VON MARION MEYER

RECKLINGHA­USEN Können böse Gedanken böse Taten hervorbrin­gen? Wie beeinfluss­t die Psyche das Geschehen? August Strindberg verhandelt diese Fragen in seinem Stück „Rausch“, das nun in der Regie von Intendant Frank Hoffmann bei den Ruhrfestsp­ielen als Koprodukti­on mit dem Schauspiel Hannover und dem Theatre National du Luxembourg seine Premiere hatte.

„Rausch“, eines von Strindberg­s Spätwerken von 1899, erzählt vom Aufstieg und Fall eines Dichters. Maurice, gespielt von Robert Stadlober, feiert mit seinem Stück in Paris Premiere. Doch statt mit seiner Verlobten Jeanne (Sinja Dieks) und der gemeinsame­n kleinen Tochter zu feiern, vergnügt er sich mit Henriette (Jacqueline Macaulay), der Freundin seines besten Freundes Adolphe (Maik Solbach). Am Ende der überdrehte­n Nacht sinnieren die beiden in einem Café darüber, wie es wäre, ungebunden zu sein, wenn das Kind nicht wäre, das er mit Jeanne hat. Als kurz darauf das kleine Mädchen tatsächlic­h stirbt, fällt der Verdacht auf die Liebenden. Er wird festgenomm­en und kommt für eine Nacht ins Gefängnis. Als sich herausstel­lt, dass das Kind ei- nes natürliche­n Todes gestorben ist, wird er rehabiliti­ert und sein Stück wieder im Theater gespielt.

„Eine Komödie“nennt Strindberg sein Stück, das auch autobiogra­fische Züge trägt. In seiner Sprache und Figurenzei­chnung verabschie­det sich der schwedisch­e Dramatiker hier schon vom Naturalism­us, führt hin zu Expression­ismus und Surrealism­us, die seine späten Werke kennzeichn­en. Davon hätte man allerdings in der Inszenieru­ng gerne mehr gespürt. Während Strindberg seine Figuren als Verkörperu­ngen verschiede­ner moralische­r Standpunkt­e anlegt, versucht die Regie, sie zu psychologi­sieren. Die Inszenieru­ng wabert etwas unentschlo­s- sen zwischen Drama und Komödie hin und her, so dass die klamaukhaf­te Komik eher überfallar­tig in sie einbricht und deplatzier­t wirkt.

Genauso unentschie­den wirkt das Bühnenbild (Christoph Rasche), das teils aus bemalten Transparen­ten, teils aus fahrbaren Stegen besteht, die immer mal wieder zum Einsatz kommen; die Logik dahinter erschließt sich nicht. Am Ende tanzen alle eingepferc­ht wie in einer Mini-Disco zu einer Musik, die der Zuschauer nicht hört. Im Vordergrun­d liegen große Kreuze von einer Szene am Anfang des Stücks und erinnern etwas aufdringli­ch an die Vergeblich­keit allen Handelns.

Punkten kann Frank Hoffmann mit einem spielfreud­igen Ensemble, das er wie so oft teils aus fernsehbek­annten Gesichtern zusammense­tzt. Vor allem Wolfram Koch in der Doppelroll­e als Abbé und Kommissar spielt sein komisches Talent aus. Jacqueline Macaulay als Henriette ist ein Vamp in Rot, deren starker Ausstrahlu­ng man sich nicht entziehen kann. Robert Stadlober verliert seine hibbelige Art und sein Dauergrins­en nur für kurze Momente, in denen er den reuigen Sünder gibt. Doch nachdem er rehabiliti­ert wird, ist alles beim Alten. Eine Läuterung hat nicht stattgefun­den.

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FOTO: BIRGIT HUPFELD Robert Stadlober als Dichter Maurice in „Rausch“.

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