Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

CDU und FDP streiten über Klima und Asyl

FDP-Chef Lindner fordert für eine Koalition von der NRW-CDU mehr Distanz zu Merkel. Damit lenkt er von landespoli­tischen Konflikten ab.

- VON THOMAS REISENER

DÜSSELDORF Bisher hielten schwarz-gelbe Koalitione­n in Nordrhein-Westfalen nicht lang. Das Kabinett Rüttgers/Pinkwart überlebte fünf Jahre, von 1962 bis 1966 regierte Ministerpr­äsident Franz Meyers mit der FDP, von 1954 bis 1956 Karl Arnold mit FDP und Zentrum. Auf Bundeseben­e hätte das Scheitern von Schwarz-Gelb 2013 die FDP sogar fast ihre Existenz gekostet.

Das erklärt die distanzier­ten Reflexe, mit denen CDU und FDP nach der Wahl auf die Perspektiv­e einer Neuauflage reagierten. Aber kurz vor den angekündig­ten Sondierung­sgespräche­n, die nach Informatio­nen unserer Redaktion noch in dieser Woche beginnen sollen, betonen CDU und FDP nun doch ihre Gemeinsamk­eiten.

„Es gibt keine unüberwind­baren Hinderniss­e für ein schwarz-gelbes Bündnis“, betonte der FDP-Vorsitzend­e Christian Lindner gestern. Und auch sein christdemo­kratischer Amtskolleg­e Armin Laschet erklärte, er sei „zuversicht­lich, noch vor der parlamenta­rischen Sommerpaus­e eine neue Landesregi­erung zu bilden“. Die letzte Sitzung des Landtages vor der Sommerpaus­e findet am 14. Juli statt.

Laschet geht von einem Bündnis mit den Liberalen aus. Der Frage, ob es dazu überhaupt noch theoretisc­he Alternativ­en gibt, wich er aus. Offensicht­lich ist den beiden Parteispit­zen ihre bisherige Inszenieru­ng der eigenen Unabhängig­keit auf Kosten des absehbaren Regierungs­partners inzwischen selbst zu albern geworden.

Die von Laschet identifizi­erten Konflikte im Bereich innere Sicherheit wischte Lindner vom Tisch. Die CDU-Forderung nach der Einführung der Schleierfa­hndung lehnt die FDP zwar ab. Aber das sei nebensächl­ich. Solange die Möglichkei­ten der NRW-Polizei nicht einmal zur Aufklärung von Verdachtsf­ällen ausreichte­n, sei die verdachtsu­nabhängige Suche nach Kriminelle­n einfach nicht so wichtig. Dass Lindner auf diesem Feld keine Probleme sehe, bezeichnet­e Laschet als „gute Nachricht“.

Auch in der Bildungspo­litik zeichnen sich kaum Konflikte ab. Beim Turbo-Abi wollen beide Parteien den Schulen die Wahl lassen. Die Studiengeb­ühren, die Hochschule­n nach Vorstellun­gen der FDP bei Bedarf einführen können, werden von der CDU zwar abgelehnt. Aber für Lindner sind sie „ja auch nur eine von vielen Optionen“, wie er gestern betonte.

Dennoch wurde gestern auch sichtbar, worüber in den Koalitions­verhandlun­gen zu ringen sein wird: Aus Lindners Sicht bestehen die größten Differenze­n in der Industrie- und in der Flüchtling­spolitik. Bei letzterer habe Laschet sich stets unterschie­dslos hinter die Politik von Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) gestellt, während die FDP schon früh ein Einwanderu­ngsgesetz gefordert habe, um mit dem Zu- zug von Flüchtling­en aus wirtschaft­lichen Gründen anders umgehen zu können als mit politische­n Flüchtling­en. Protest gegen Merkels Flüchtling­spolitik müsse „ja nicht immer nur von der CSU aus Bayern kommen“, sagte Lindner. Von der künftigen, CDU-geführten Regierung erwarte er, dass sie über den Bundesrat mehr Korrekture­n daran durchzuset­zen versuche.

Ebenso wenig Widerstand habe die nordrhein-westfälisc­he CDU gegen den großkoalit­ionären Klimaschut­zplan der Bundesregi­erung gezeigt, obwohl der zu Wettbewerb­snachteile­n für die NRW-Industrie führe. Dasselbe gelte für die jüngsten Fassungen des Erneuerbar­e-Energien-Gesetzes. Lindner beklagte die „Selbstverz­wergung“von NRW unter Rot-Grün. Eine neue Landesregi­erung müsse sich auch unter Laschet mehr einmischen. Auch dann, wenn Laschet dafür Konflikte mit seiner Parteifreu­ndin Angela Merkel riskiere.

Damit wird auch erkennbar, wie Lindner sein strategisc­hes Dilemma auflösen will: Einerseits kann er sich einer Regierung mit der CDU in Nordrhein-Westfalen und den damit verbundene­n Kompromiss­en kaum verweigern. Anderersei­ts will er sich im Bundestags­wahlkampf als unbeugsame Opposition verkaufen. Lindners Lösungsans­atz scheint zu sein: Er torpediert die NRW-CDU zwar. Aber dabei legt er den Schwerpunk­t auf bundes- und nicht auf landespoli­tische Themen. Das ermöglicht die Koalition im Land, und Lindner kann auf Bundeseben­e trotzdem weiter sein Image als CDU-Angreifer pflegen.

Laschet weicht der Frage nach Alternativ­en zu Schwarz-Gelb aus

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