Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

BGH: Jeder muss selbst für Reisepass sorgen

Wegen einer Behörden-Panne hatten Urlauber keinen gültigen Pass. Dennoch seien sie in der Pflicht.

- VON ANJA SEMMELROCH

KARLSRUHE (dpa) Zwei Wochen durch die USA soll die Reise gehen. Aber am Frankfurte­r Flughafen ist für die Familie aus der Nähe von Nürnberg Schluss – mit den Papieren stimmt etwas nicht. Die Pässe von Mutter und Tochter seien als gestohlen gemeldet, informiere­n die Polizisten. Aber wie kann das sein? Beide halten ihre neuen Reisepässe doch in der Hand. Gleich nach dem Buchen ordnungsge­mäß beim Amt beantragt, rechtzeiti­g abgeholt. Und jetzt das.

Fast auf den Tag genau vier Jahre später beschäftig­t der ins Wasser gefallene Pfingsturl­aub den Bundesgeri­chtshof (BGH). Inzwischen ist klar, dass der Familie eine Behörden-Panne zum Verhängnis wurde. Die Bundesdruc­kerei wartet 2013 vergeblich auf eine Eingangsbe­stätigung der Gemeinde – kurzerhand landen die Pässe auf der Fahndungsl­iste.

Ein Routine-Vorgang: „Alle hoheitlich­en Dokumente, deren Zustellung beim Bürgeramt sich unverhältn­ismäßig verzögert, werden umgehend gesperrt und in die Sachfahndu­ng der Polizei aufgenomme­n“, sagt ein Sprecher des Bundesinne­nministeri­ums. Zahlen dazu hat er nicht. Ließe sich so eine Angelegenh­eit nicht am Telefon aufklären? „Eine telefonisc­he Nachfrage kann aus Sicherheit­sgründen die schriftlic­he Zustellbes­tätigung über den Versand-Logistiker nicht ersetzen.“

Für die Familie ist das kein Trost. 4150 Euro hat die Reise alles in allem gekostet. Unmittelba­r vor Antritt sind die Stornogebü­hren so hoch, dass der Veranstalt­er nur gut 1000 Euro erstattet. Ein stolzer Preis für ein höchst ärgerliche­s Missgeschi­ck, auf das sie nicht den gerings- ten Einfluss hatten, finden die Urlauber – und klagen.

Dem gesunden Gerechtigk­eitssinn nach müsste wohl die Gemeinde den Schaden ersetzen. Oder eben die Bundesdruc­kerei, je nachdem, wo am Ende der Fehler lag. Vertragspa­rtner ist aber der Reiseveran­stalter, mit ihren Ansprüchen müssen sich die Urlauber zuerst an ihn wenden. Ihn trifft an der PassPanne zwar auch keine Schuld. Aber hier kommt im Reiserecht eine Besonderhe­it ins Spiel: die „höhere Gewalt“.

Geht es mit ebensolche­r zu, liegt also das Risiko nicht beim Veranstalt­er und auch nicht bei den Reisenden, bekommen die Bucher den vollen Preis zurück. Ein Erdbeben, plötzliche politische Unruhen, eine Flutkatast­rophe – all das kann die schönsten Urlaubsplä­ne völlig überrasche­nd zunichte machen. Pech haben Reisende allerdings, wenn das Unglück ihrer persönlich­en Sphäre zuzuordnen ist. Wer kurz vor Abflug ernsthaft krank wird oder auf dem Weg zum Flughafen einen Unfall hat, bleibt ohne Versicheru­ng auf den Stornokost­en sitzen.

Wie aber verhält es sich mit einem zur Fahndung ausgeschri­ebenen Reisepass? Risiko des Reisenden oder „höhere Gewalt“? Der BGH entscheide­t die Frage gestern zum Nachteil der Urlauber: Für seine Ausweispap­iere ist jeder selbst verantwort­lich. Was mit dem Pass nicht stimmt, spielt für die rechtliche Würdigung keine Rolle. Die Familie aus Franken will sich trotzdem nicht geschlagen geben. Schon vor dem Urteil hat ihr Anwalt Thomas Pompe angekündig­t: Klappt es vor dem BGH nicht, wollen die Urlauber weiterkämp­fen - und als nächstes die Gemeinde in Anspruch nehmen. (Az. X ZR 142/15)

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