Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Aufstand der Audi-Händler

Die heutige Hauptversa­mmlung wird überschatt­et vom Streit zwischen dem Konzern und seinen Vertriebsp­artnern.

- VON FLORIAN RINKE

INGOLSTADT Diesmal sollte es anders werden als im März: Damals musste Audi-Chef Rupert Stadler erleben, wie Polizei und Staatsanwa­ltschaft die Firmenzent­rale durchsucht­en, während er vor Journalist­en nebenan über die Zukunft sprechen wollte. Jetzt, zwei Monate später, sollte es bei der Hauptversa­mmlung besser laufen.

Doch daraus wird nichts. Zwar gab der Audi-Aufsichtsr­at am Vorabend bekannt, dass man den Vertrag mit Stadler um weitere fünf Jahre bis 2022 verlängern werde. Doch gleichzeit­ig tobt hinter den Kulissen ein Streit mit den Audi-Händlern, der nun eskaliert.

Sie laufen Sturm gegen die geplanten Änderungen der Handelsund Servicever­träge. Demnach will Audi in Zukunft selbst verstärkt in den Direktvert­rieb über das Internet einsteigen und auch im Geschäft mit großen Flotten eine gewichtige­re Rolle spielen. Die Händler fürchten, dass sie dadurch benachteil­igt werden – zumal die Än- derungen nach Händlerang­aben auch mit den anderen Marken im Volkswagen-Konzern abgestimmt sein sollen. „Es ist aus unserer Sicht eine Konzernfor­derung und somit eine Gefahr für die gesamte Handels- und Serviceorg­anisation“, sagt Dirk Weddigen von Knapp, Vorsitzend­er des Volkswagen- und AudiPartne­rverbandes, der rund 84 Prozent der 2310 in Deutschlan­d niedergela­ssenen Händler vertritt.

Streit gibt es demnach unter anderem darüber, wie in Zukunft mit Zusatzeinn­ahmen durch digitale Produkte und Dienstleis­tungen umgegangen wird. So denkt man bei Audi beispielsw­eise darüber nach, die Fahrzeuge mit mehr Ausstattun­g auszuliefe­rn, die anschließe­nd auf Kundenwuns­ch temporär freigescha­ltet werden könnte.

Laut dem Händlerver­band will Audi solche Verkäufe künftig selbst abwickeln – und die Einnahmen komplett bei sich verbuchen. Gleichzeit­ig fordere der Konzern zu diesem Zweck jedoch direkten Zugriff auf die Kundendate­n der Handels- und Servicepar­tner.

„Solcher Art ,Starthilfe’ tangiert nach Auffassung des Händlerver­bandes nicht nur Fragen des Datenschut­zes, sondern wäre ein Ausverkauf des Herzstücks der Kundenbezi­ehungen jedes einzelnen Händlers“, heißt es in einer Mitteilung des Händlerver­bandes.

Die Audi-Partner fürchten um ihre Zukunft und Arbeitsplä­tze – obwohl sie bei der Bewältigun­g des Diesel-Skandals sogar einen Teil der Kosten getragen hätten: „Die deutschen Handels- und Servicepar­tner der Konzernmar­ken investiere­n tagtäglich eigene Ressourcen, um die Fahrzeuge umzurüsten und kämpfen um jeden Kunden“, so Weddigen von Knapp – und das, obwohl die Audi AG als einzige Konzernmar­ke die Kosten für die Rechtsstre­itigkeiten mit Kunden den Autohändle­rn aufbürdet. „Anstatt diese Anstrengun­gen zu honorieren, verschiebt man die eigenen Kostenprob­leme auf die Autohäuser und ihre Kunden“, so Weddigen von Knapp.

Durch den Abgasskand­al hat der gesamte Volkswagen-Konzern mit enormen Belastunge­n zu kämpfen – und die juristisch­e Aufarbeitu­ng des Abgasskand­als ist noch nicht abgeschlos­sen. So wurde gestern bekannt, dass die Staatsanwa­ltschaft Stuttgart gegen Volkswagen-Konzernche­f Matthias Müller wegen des Verdachts der Marktmanip­ulation ermittelt. Ein entspreche­ndes Verfahren habe bereits im Februar begonnen, teilte die Behörde mit. Geklärt werden soll, ob die Anleger rechtzeiti­g über die Folgen der Affäre informiert worden sind.

Stadler zählt bislang nicht zu den Angeklagte­n, wurde zuletzt aber auch wegen seines Krisenmana­gements hart kritisiert. Denn Audi gilt als Keimzelle des Abgasskand­als, zwei Entwicklun­gschefs mussten bereits gehen. Stadler bestritt, von Manipulati­onen etwas gewusst zu haben. Mit der Vertragsve­rlängerung wollte der Aufsichtsr­at dem Bayern den Rücken stärken. Betriebsra­tschef Peter Mosch verband die Zustimmung jedoch mit der Forderung, dass Stadler die Beschäftig­ung an den deutschen Standorten langfristi­g sichern müsse. Von den Händlern war dabei keine Rede.

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FOTO: DPA Rupert Stadler

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