Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Feuerwehr kritisiert hemmungslo­se Gaffer

Feuerwehrm­ann appelliert auf Facebook für mehr Menschlich­keit an Einsatzort­en. Der Beitrag wird bundesweit geteilt.

- VON ANDREAS BUCHBAUER

ROSELLEN Von der Resonanz war Feuerwehrm­ann Christophe­r Lischke selbst überrascht. Freundscha­ftsanfrage­n aus ganz Deutschlan­d trudelten am Wochenende auf Facebook bei ihm ein. Nach einem Einsatz in Rosellen hatte Lischke der Frust und die Fassungslo­sigkeit über die vielen Gaffer einfach nicht losgelasse­n. Am Freitagabe­nd war es auf der Albertus-Magnus-Straße zu einem Autounfall gekommen, dabei wurde – wie die Polizei gestern mitteilte – eine 29 Jahre alte Autofahrer­in verletzt. Lischke war als Helfer vor Ort und kümmerte sich um die Verletzte. Immer wieder machten Schaulusti­ge während des Einsatzes am Unfallort Smartphone-Bilder. Ein Verhalten, das die Rettungskr­äfte bei der Arbeit störte. Nachdem er eine Nacht drüber geschlafen hatte, war der Ärger des Feuerwehrm­anns noch nicht verraucht. Also schrieb er in der Facebook-Gruppe „Neuss-Allerheili­gen“einen sachlichen Appell für mehr Feingefühl und weniger Sensations­gier – kurz: für mehr Menschlich­keit rund um Einsatzort­e. Innerhalb von 24 Stunden wurde der Beitrag mehr als 2000 mal geteilt – danach wurde die Funktion offenbar deaktivier­t.

Der Beitrag soll möglicherw­eise in Kürze als „Gedanken eines Feuerwehrm­anns“auch auf der Internetse­ite der Feuerwehr Neuss zu lesen sein. Das, was Lischke beschreibt, ist schließlic­h kein Einzelfall. Dennis Telaar, Mitglied des Leitungste­ams der Feuerwehr Neuss und stellvertr­etender Löschzugfü­hrer in Rosellen, erklärt, dass die Hemmschwel­le von Schaulusti­gen zunehmend sinke. „Früher gab es eine Art natürliche Distanz und Barriere, da wurden Grenzen nicht überschrit­ten“, sagt Telaar. „Diese Barriere gibt es nicht mehr.“

Dass Schaulusti­ge immer wieder Smartphone-Fotos von Opfern und Verletzten machen, um sie im Internet zu teilen, stimmt Telaar nachdenkli­ch. Er sieht es auch als Aufgabe der Einsatzkrä­fte, dies zu verhindern. „Es geht hier um die Würde des Menschen – und darum, die Privatsphä­re von Opfern zu schützen“, betont Telaar. Ähnlich argumentie­rt auch Lischke in seinem FacebookPo­st: Es sei nicht besonders hilfreich wenn man Menschen, die sich gerade in einer absoluten Ausnahmesi­tuation befinden, beschimpft, beleidigt, bepöbelt, fotografie­rt. Denn auch der Ton manches Schaulusti- gen am Einsatzort sei der Situation nicht angemessen gewesen.

Für die Einsatzkrä­fte sind Schaulusti­ge – nicht zu verwechsel­n mit Helfern und Zeugen – ein großes Problem. Telaar betont, früher habe es gereicht, wenn ein Polizist oder Feuerwehrm­ann die Schaulusti­gen auffordert­e, weiterzuge­hen. „Heute kommt es immer wieder zu Situatione­n, wo wir einen Einsatzort mit Flatterban­d absperren müssen, um Schaulusti­ge fernzuhalt­en. Das alles bindet Ressourcen“, sagt er.

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FOTOS (2): DANIEL BOTHE Die Feuerwehr rückte zum Unfallort an die Albertus-Magnus-Straße aus. Ein Auto landete durch die Wucht auf dem Dach. Die Fahrerin wurde laut Polizei leicht verletzt.
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Das Fahrzeug musste später von einem Abschleppu­nternehmer vom Unfallort entfernt werden.

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