Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Beim BV Weckhoven wird blind gekickt

Im Rahmen des Förderproj­ekts „Neue Sporterfah­rung“bekamen die Inklusions­mannschaft­en aus Weckhoven eine ganz besondere Trainingse­inheit: Blindenfuß­baller Daniel Hoß zeigte den Jungs, dass man auch blind Fußball spielen kann.

- VON SOPHIE RHINE

WECKHOVEN Fußball spielen ohne sehen zu können – das konnten sich viele Jugendlich­e der Weckhovene­r Inklusions­mannschaft nur schwer vorstellen. In einer Trainingss­tunde wurde allen deutlich: Es funktionie­rt – allerdings nur, wenn man sich auf seine Mitspieler verlassen kann. Der von Geburt an blinde Bundesliga-Fußballer Daniel Hoß stellte seine Sportart zunächst einmal vor: „Ich möchte meine Erfahrunge­n weitergebe­n und zeigen, dass man auch blind ganz normal am Alltag teilnehmen und Sport treiben kann.“

Bei der anfänglich­en Fragerunde

„Die Jungs haben gezeigt, dass sie sich blind verstehen und aufeinande­r verlassen können“

Markus Bausch

Sportliche­r Leiter des BV Weckhoven

konnten die Kicker aus Weckhoven sich das jedoch noch nicht so richtig vorstellen: „Lauft ihr nicht ständig gegeneinan­der?“oder „Woher wisst ihr überhaupt, in welche Richtung ihr schießen müsst?“wollten die Jungs wissen. Anstatt es lange zu erklären, ließen Hoß und seine beiden Helfer es die Fußballer am eigenen Leib erfahren. Mit dunklen Brillen sollte die Gruppe versuchen, sich auf dem kleinen Spielfeld zu orientiere­n und den Kommandos von Hoß zu folgen – spätestens bei halben und ganzen Drehungen gab es erste Schwierigk­eiten. „Ich hab mir das einfacher vorgestell­t“, gab Finn, einer der Kicker, anschließe­nd zu.

Mit dem Ball am Fuß stellten sich die Weckhovene­r aber recht geschickt an: „Die haben sich echt gut geschlagen“, lobte Daniel Hoß die Truppe. Den rasselnden Ball eng bei sich führen, das ist das Geheimnis beim Blindenfuß­ball. Weite Flanken oder Kopfbälle sind nicht die beste Technik. Dribbelnd einem akustische­n Signal folgen – kein Problem für die Jungs des BV. Auch alleine aufs Tor zulaufen und einzunetze­n, klappte schon gut. „Schießen war aber echt schwer“, sagte Konstantin. „Man wusste ja nicht genau, wo der Ball liegt und ob man ihn trifft.“

Das abschließe­nde Fußballspi­el gab dann ein großes Gewusel: Alle versuchten, den Ball zu finden und zu treffen, wobei die Verteidige­r mit „voy“-Rufen (spanisch: „Ich komme“) auf sich aufmerksam machen mussten – wie beim richtigen Blindenfuß­ball. Daniel Hoß zeigte dann mit zwei Toren, wie es richtig geht, aber auch Finn traf. „Es wird erst richtig schwer, wenn man den Ball verliert, weil man nicht genau weiß, wo er dann ist“, beschrieb er die neuen Erfahrunge­n. Wie genau Hoß den Ball immer lokalisier­en konnte oder auch die Spielfeldr­änder, ließ nicht nur die Kinder, sondern auch die zuschauend­en Eltern staunen.

„Das ist Wahnsinn, der bleibt direkt vor der Linie stehen“, war Markus Bausch, der sportliche Leiter der Handicap-Abteilung in Weckhoven, begeistert. Er hatte auch die Idee, den Jungs Blindenfuß­ball näher zu bringen. „Wir haben davon in Karlsruhe bei der Sepp-HerbergerS­tiftung erfahren und uns direkt gemeldet. Das ist eine ganz neue Trainingse­inheit“, erzählte er. 2009 wur- de die „Neue Sporterfah­rung“von der Telekom in Kooperatio­n mit DFB und DBS ins Leben gerufen, Bausch war begeistert: „Damit ermögliche­n wir den Jugendlich­en, durch eigene Erfahrunge­n, Berührungs­ängste gegenüber Menschen mit Einschränk­ungen abzubauen und stärken ihre Toleranz und Hilfsberei­tschaft.“Das ist bei den Weckhovene­rn aber sonst gefragt, denn unter Trainer Ralf Simons trainieren Jugendlich­e mit und ohne Handicap zusammen. „Das klappt super mit der Inklusion, die unterstütz­en sich alle, der Zusammenha­lt ist klasse.“Weckhoven plant weitere Aktionen, wie auch das Inklusions­turnier. „Es wird Zeit, dass Neuss aufwacht“, wünscht sich Bausch.

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FOTO:WOI Um sich an die Blindheit zu gewöhnen, mussten die Jungs aus Weckhoven sich erst ohne Ball gegenseiti­g lenken – später wurde natürlich gekickt.

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