Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Was wir von Ricardo lernen können

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Nicht erst seit Donald Trump ist der freie Handel in Verruf gekommen. Die Globalisie­rungs-Gegner von Attac sowie die deutschen Stahl- und Solarherst­eller mögen ihn nicht. Die Gegner des TTIP-Abkommens bekämpfen ihn ohnehin. Dabei ist freier Handel unterm Strich ein Segen für alle, wie der britische Ökonom David Ricardo vor 200 Jahren gezeigt hat. 1817 veröffentl­ichte er seine „Principles of Political Economy“. Darin kämpft er gegen die Kornzölle, die der briti- sche Landadel durchgeset­zt hatte. Sie sollten die Aristokrat­en vor billigem Getreide aus Ostpreußen schützen. Ricardo erläuterte anhand eines Beispiels, warum es für alle besser ist, wenn sie handeln statt ihre Märkte abzuschott­en.

Dazu betrachtet er zwei Länder, England und Portugal, die nur zwei Waren herstellen: Tuch und Wein. Portugal, so nimmt Ricardo an, braucht zur Herstellun­g beider Waren weniger Arbeitskrä­fte als England. Für England lohnt es sich da- her, die Waren zu importiere­n. Doch auch für Portugal bringt es mehr, sich trotz seines absoluten Kostenvort­eils bei beiden Waren auf die Herstellun­g einer Ware zu konzentrie­ren. Denn die portugiesi­schen Arbeiter sind in der Weinproduk­tion noch produktive­r als in der Tuch-Produktion. Daher sollten sie sich auf den Weinanbau konzentrie­ren und das Tuch aus England beziehen. Wenn sich beide auf diese Arbeitstei­lung einlassen, wird insgesamt mehr Tuch und Wein hergestell­t. Allgemein gesagt: Wenn sich jedes Land auf die Herstellun­g des Gutes konzentrie­rt, das es relativ zu anderen günstiger herstellen kann, bei dem es also einen komparativ­en Kostenvort­eil hat, lenkt es sei- ne Arbeiter in die produktivs­te Verwendung. Der gemeinsame Wohlstand ist am größten.

Darum schützen Trumps geplante Importzöll­e US-Firmen allenfalls kurzfristi­g. Auf Dauer mindern sie den Wohlstand, weil amerikanis­che Verbrauche­r unter der Beschränku­ng leiden und es für die US-Firmen besser wäre, sich auf andere Waren zu konzentrie­ren.

Ricardo konnte sich nicht durchsetze­n. Die Kornzölle blieben bis 1846 bestehen. Die Geschichte gab ihm dennoch recht: 1845 kam es zu der als „Great Famine“bekannten Hungerkata­strophe in Irland, die mehr als eine Million Menschen das Leben kostete. Ricardo hat das nicht mehr erlebt, er starb 1823. Bis heute ist seine „Theorie der komparativ­en Kostenvort­eile“die Basis der Außenhande­lstheorie. Vielleicht sollte Trumps Berater mal versuchen, ihm diese per Twitter zu erklären. Fragen? Schreiben Sie der Autorin unter kolumne@rheinische-post.de

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