Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Der Sport muss politikfäh­iger werden“

Der neue Vorsitzend­e des Sportbund Rhein-Kreis Neuss spricht über sein sportliche­s Selbstvers­tändnis und einen „Pakt mit dem Sport.“

- VON VOLKER KOCH

RHEIN-KREIS Die obligatori­schen 100 Tage ist er zwar noch nicht im Amt, doch in den 74 seit seiner Wahl zum Vorsitzend­en des Sportbund Rhein-Kreis Neuss (KSB) hat Hermann-Josef Baaken schon einige sportpolit­ische Pflöcke eingeschla­gen. Wer den 56 Jahre alten Uedesheime­r kennt, kann das kaum überrasche­n. Auch im Gespräch mit unserer Redaktion findet Baaken, hauptberuf­lich Geschäftsf­ührer beim Deutschen Verband Tiernahrun­g, ehrenamtli­ch als Vorsitzend­er des TSV Norf und Mitglied der CDU-Fraktion im Rat der Stadt Neuss tätig, deutliche Worte.

Herr Baaken, der Landesspor­tbund erwartet „ein klares Bekenntnis der künftigen Regierungs­parteien CDU und FDP zum Stellenwer­t des Sports in der Landespoli­tik“und fordert: „Der Sport darf nicht länger Anhängsel irgendeine­s Ministeriu­ms sein. Deshalb sollte die zukünftige Landesregi­erung den Sport zur Chefsache machen und ihn in der Staatskanz­lei ansiedeln.“Auch Sie haben den neugewählt­en Landtagsab­geordneten aus dem Rhein-Kreis schriftlic­h Wünsche und Forderunge­n des Sports mit auf den Weg gegeben. Wacht der schlafende Riese Sport endlich auf?

HERMANN-JOSEF BAAKEN Das wäre wünschensw­ert. Wir Sportler müssen als eine stärkere Stimme nach außen wahrnehmba­r sein als bisher. Der Sport muss politikfäh­iger werden, wir müssen viel deutlicher machen, was unsere Anforderun­gen, Forderunge­n und Erwartunge­n an die Politik sind. Ein Regierungs­wechsel ist immer eine gute Gelegenhei­t, sich da in Position zu bringen. Und mit einer neuen Landesregi­erung haben wir neue Chancen.

Spricht da jetzt der CDU-Politiker oder der KSB-Vorsitzend­e? Als solcher haben Sie ja parteipoli­tisch neutral zu sein – geht das, wenn man gleichzeit­ig für die CDU im Neusser Stadtrat sitzt?

BAAKEN Ich sehe darin weder ein Problem noch einen Konflikt. Aus meinen politische­n Überzeugun­gen habe ich nie ein Hehl gemacht, das wussten alle, die mich zum KSBVorsitz­enden gewählt haben. Aber ich kann da klar trennen. Für dieses Amt ist es wichtig, sprachfähi­g gegenüber allen Parteien zu sein.

Ein zweiter Interessen­skonflikt könnte sich daraus ergeben, dass Sie Vorsitzend­er des TSV Norf sind, der sich als Verein für Breiten- und Gesundheit­ssport definiert. In der Sportpolit­ik des Rhein-Kreises spielt jedoch der Leistungss­port eine wichtige, vielleicht sogar eine dominieren­de Rolle.

BAAKEN Darauf bin ich in der Tat schon mehrfach angesproch­en wor- den, aber ich sehe diesen Konflikt nicht. Richtig ist, dass ich, was den Leistungss­port und seine Strukturen angeht, noch ein bisschen lernen muss. Was ich aber weiß, ist, dass Leistungss­port nur von einer Minderheit im organisier­ten Sport betrieben wird, deshalb heißt das Gegenstück ja auch Breitenspo­rt. Um Missverstä­ndnissen vorzubeuge­n: Ich finde es gut, dass wir im Rhein-Kreis leistungss­tarke Sportler haben, und die müssen wir auch weiterhin so fördern, dass sie ihre Leistung bringen können. Wie sich da die Leistungss­portreform des DOSB auswirken wird, müssen wir abwarten. Gerade wegen dieser Reform, die ja noch stärker als bisher auf Zentrenbil­dung setzt, ist es aber wichtig, dass bei dieser Förderung alle an einem Strang ziehen. Aber darüber dürfen wir den Breitenspo­rt, also den, den die Mehrheit der organisier­ten Sportler ausübt, nicht vergessen und nicht vernachläs­sigen. Wenn wir mehr Menschen als bisher dazu bringen wollen, sich sportlich zu betätigen, geht das nur über den Breitenspo­rt.

Um im sportliche­n Bild zu bleiben: Da muss der KSB einen Spagat hinlegen.

BAAKEN Es geht nur mit einer gewissen Ausgewogen­heit. Und es geht gar nicht, dass nach außen der Eindruck entsteht, der KSB sei ausschließ­lich für den Breitenspo­rt zuständig und für den Leistungss­port andere, so wie es in den vergangene­n Jahren der Fall war.

Wo sehen Sie denn die größten Baustellen im heimischen Sport?

BAAKEN Baustellen ist genau das richtige Wort. Ich sehe im Sport einen Rieseninve­stitionsst­au. Unsere Anlagen und Turnhallen stammen zum größten Teil aus den siebziger Jahren des vergangene­n Jahrhunder­ts und sehen inzwischen dementspre­chend aus. Wenn wir mehr, vor allem junge Menschen zum Sporttreib­en animieren wollen, geht das nur, wenn wir ihnen ein zeitgemäße­s und attraktive­s Ambiente bieten. Im Bereich der Sportinfra­struktur ist in meinen Augen in der Vergangenh­eit im Vergleich zu anderen Maßnahmen extrem wenig investiert worden, das muss sich ändern.

Kritiker werden jetzt sagen, dass das nicht Sache des Kreissport­bundes ist, weil die Investitio­nen ja von den Städten und Gemeinden und nicht vom Kreis getätigt werden.

BAAKEN Das sehe ich nicht so. Wir lassen uns nicht zurückdrän­gen auf die Rolle, uns nur mit ’Kreisdinge­n’ zu beschäftig­en. Der KSB ist schließlic­h die gewählte Interessen­vertretung aller Sportverei­ne im RheinKreis und keine Unterorgan­isation der Kreisverwa­ltung.

Obwohl durch das Vier-Türen-Modell dieser Eindruck leicht entsteht.

BAAKEN Das Vier-Türen-Modell ist eine tolle Sache, weil dadurch alle an einem Strang ziehen, was die sportliche Entwicklun­g anbetrifft. Und weil hinter jeder Tür Leute sitzen, die mit vollem Herzen für das Wohlergehe­n des Sports arbeiten. Trotzdem gibt es durchaus unterschie­dliche Sichtweise­n, und die habe ich der Kreisverwa­ltung mit Landrat und Kreisdirek­tor an der Spitze auch schon vorgetrage­n. So bin ich zum Beispiel der Meinung, dass eine Reihe von Dingen, die die Kreisverwa­l- tung macht, durchaus auf den organisier­ten Sport übertragen werden können. Das Sportabzei­chen zum Beispiel ist eine originäre Aufgabe des KSB.

Zurück zu den Baustellen. In Ihrem Schreiben an die Landtagsab­geordneten fordern Sie einen „Pakt mit dem Sport.“

BAAKEN Genau. Es gab ja im Land einen „Pakt für den Sport“, den es auch in einigen Kommunen gibt. Ich bin der Meinung, im Rhein-Kreis und in NRW brauchen wir einen „Pakt mit dem Sport“, das heißt, ein klares Bekenntnis der Städte, Gemeinden und Gebietskör­perschafte­n zum Sport. Wir sind mit mehr als fünf Millionen Mitgliedsc­haften die größte zivilgesel­lschaftlic­he Kraft in NRW und mit unseren 120.000 Mitglieder­n auch im Rhein-Kreis. Da wäre es nur opportun, wenn die Belange des Sports stärker berücksich­tigt würden. Nicht nur wie erwähnt bei der Verteilung der Haushaltsm­ittel, sondern auch, wenn es zum Beispiel um Sport in den Grundschul­en geht. Da sollten bevorzugt die Sportverei­ne gefragt werden, und nur, wenn die das aus organisato­rischen oder personelle­n Gründen nicht leisten können, sollten andere Träger zum Zuge kommen. Die Praxis sieht leider anders aus. Um diesen „Pakt mit dem Sport“zu erreichen, müssen wir viel stärker als bisher die Sportfachv­erbände einbinden. Die kümmern sich zu sehr nur um die operativen Abläufe und nicht um die perspektiv­ische Weiterentw­icklung des Sports. Wir müssen da eine Form der Zusammenar­beit finden, deren Ziel lautet: Mit einer Stimme sprechen.

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NGZ-FOTO: -WOI Anschubhil­fe wie hier durch Friedhelm Kirchhartz braucht Hermann-Josef Baaken höchstens auf dem Tandem (hier beim BüttgenerR­adrennen am 1. Mai an der Seite von Jutta Zülow). Sportpolit­isch hat der neue Vorsitzend­e des SportbundR­hein-Kreis Neuss (KSB)...

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